Editorial

Glaubensfreude

«Der heutigen Zeit fehlt die wahre Freude. Wir brauchen nur die Zeitungen und Zeitschriften durchzulesen, um die Unsicherheit und Furcht zu spüren, die die Menschen beunruhigt. Von einer Panik erfasst, scheint die Menschheit in banger Erwartung einer Weltkata­strophe zu leben.» – Diese Worte stammen nicht aus der Gegenwart, sondern sind einem Hirtenbrief der Schweizer Bischöfe aus dem Jahre 1955 über die Glaubens­freude entnommen. Heutige Eindrücke und Empfindungen finden sich also auch in früheren Zeiten.

Warum in für viele düsteren Zeiten das Thema Glaubensfreude? Was die Bischöfe 1955 betonten, dass die christliche Religion die Religion der Freude und des Friedens ist und der christliche Glaube für immer eine frohe Botschaft bleibt, ist auch heute aktuell, auch wenn dieser Glaube nicht mehr so gesellschaftsrelevant ist wie damals. Glaube und Vertrauen schenken Geborgenheit in Gott, womit Freude möglich wird. Diese Freude ist umso grösser, weil wir Christinnen und Christen, die wir wie alle unsere Welt manchmal eben auch als Tränental erleben, auf die grosse Freude in Gott in der Ewigkeit hoffen dürfen. Diese Hoffnung lädt uns ein, über den eigenen Tellerrand zu schauen, unsere materielle Welt zu übersteigen und ein Gespür für die Transzendenz, für das Unsichtbare, das Überzeitliche und Göttliche zu entwickeln.

Das kleine Pflänzchen Freude ist immer gefährdet und bedarf der Pflege, gerade auch im Bereich des Glaubens. In einer Kirche, die vom Missbrauchsskandal gebeutelt ist, dem wir uns ehrlich zu stellen haben, ist die Glaubensfreude schnell gefährdet. Umso mehr soll sie gefördert werden in der festen Überzeugung, dass Glaube und Kirche weit mehr und grösser sind als die schlimmen Fehler dieser Institution. Auch hier ist ein offener und weiter Blick nötig, der neue Perspektiven schenkt.

Was aber ist das schlimmste Gift gegen die Glaubensfreude, ja die Freude an sich? Das Jammern und Klagen. Also lassen wir das lieber! Möge die Fasnachtszeit uns viel Freude und Gemeinschaft bringen und die Fastenzeit Ruhe, Besinnung und Umkehr. Beides schenkt uns Gnade und Heil.

Urban Fink-Wagner