Georges Schwickerath: Aufhebung des Pflichtzölibates und Diakoninnenweihe sollten gleichzeitig passieren

Welches Fazit ziehen Sie zum Synodalen Weg?

Georges Schwickerath: Der Synodale Weg hatte zum Ziel, einen Erneuerungs- und Umkehrprozess in die Wege zu leiten. Hintergrund war die MHG-Studie – ein Forschungsprojekt zum Thema sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Ich glaube, dass der Synodale Weg trotz aller Schwierigkeiten und Mühen doch gelungen ist. Die Weichen der Kirche in Deutschland stehen auf Veränderung.

Was ist der grösste Erfolg des Synodalen Wegs?

Schwickerath: Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und theologischen Positionen haben miteinander geredet, gestritten, debattiert, überlegt, theologisiert, gebetet und haben sich nicht gescheut, auch die heissen Eisen in den Blick zu nehmen. Die deutschen Bischöfe haben sich herausfordern lassen, sich den Fragen der Zeit zu stellen. Wichtige, richtungsweisende Texte wurden angenommen und verabschiedet.

Und was ist die grösste Niederlage?

Schwickerath: Der Grundtext «Leben in gelingenden Beziehungen» wurde von den Bischöfen nicht mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit angenommen. Dies war eine grosse Enttäuschung für viele Synodale. Der Handlungstext «Gemeinsam beraten und entscheiden» konnte aus zeitlichen Gründen nicht abschliessend beraten werden. Das ist bedauerlich.

In Frankfurt ist die Schweizer Dominikanerin Schwester Scholastika Jurt mit pointierten Voten aufgefallen. Welchen Eindruck haben Sie von Schwester Scholastika?

Schwickerath: Ich kenne Schwester Scholastika nicht persönlich. Aber ihre Voten spiegeln die Meinung vieler Menschen wider, besonders der Frauen. Eine Aussage von ihr fand ich absolut richtig, wenn wir die Zukunft der Kirche gestalten möchten: «Wir müssen Gott gross denken» – und nicht so ängstlich sein.

Als Bischofsvikar arbeiten Sie mit der Pastoralverantwortlichen Barbara Kückelmann zusammen. Laut Barbara Kückelmann können queere Seelsorgende nur in Ausnahmefällen eine Missio erhalten. Werden Sie sich im Bischofsrat dafür stark machen, die Regeln im Bistum Basel zu ändern?

Schwickerath: Es ist nicht so, dass wir uns im Bistum Basel der Fragestellung nicht bewusst wären und uns damit auseinandersetzen. Aber wir sind auch an das kirchliche Recht gebunden. In diesem Spannungsfeld suchen wir gangbare Wege.

Aber Sie waren doch in Frankfurt und haben gehört, dass Deutschland nach «OutInChurch» anders tickt. Werden Sie sich im Bischofsrat dafür stark machen, die Regeln im Bistum Basel zu ändern – oder nicht?

Schwickerath: Ganz so einfach ist es nicht. Der Synodale Weg in Deutschland wird die Kirche nicht schlagartig verändern. Viele der verabschiedeten Texte sind eine Empfehlung, Bitte um Prüfung nach Machbarkeit an die Bischöfe oder an den Heiligen Vater. Mit der Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe haben sich diese verpflichtet, die angenommenen Texte nach Möglichkeit in ihren Diözesen umzusetzen. Die Abteilung Pastoral des Bistums Basel ist ebenfalls dran, die Texte aus Frankfurt zu studieren. Ich bin mit der Abteilung im engen Austausch.

Sie hatten im Bischofsrat kürzlich einen Workshop mit Miki Herrlein zum Thema Transmenschen. Welche Früchte trägt der Workshop im Bistum Basel?

Schwickerath: Persönlich habe ich viel gelernt und auch neu verstanden. Ich bin viel sensibler für das Thema und für die Anliegen queerer Menschen geworden. Ich bin überzeugt, dass es anderen Mitgliedern des Bischofsrates ähnlich gegangen ist.

Ein flämischer Bischof hat erzählt, dass jedes Bistum in Belgien einen Verantwortlichen für Regenbogen-Pastoral ernennt. Ist das auch für die Schweiz sinnvoll?

Schwickerath: Bischof Johann Bonny aus Antwerpen hat mich sehr beeindruckt. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, macht klare Aussagen und hat einen sehr feinen Humor. Ich durfte mit ihm einige sehr interessante Gespräche am Rande der Konferenz führen. Im Bistum Basel gibt es ja schon seit einigen Jahren die Regenbogen-Pastoral.

Warum stellen die Schweizer Bischöfe keinen Antrag beim Papst auf Dispens vom Pflichtzölibat – mit Berufung auf die Amazonas-Synode?

Schwickerath: Diese Frage müssen Sie der Bischofskonferenz stellen, ich bin nicht Mitglied der Bischofskonferenz. Aber ich bin überzeugt, dass einige der Bischöfe durchaus offen sind für eine Neuregelung der priesterlichen Lebensform.

Die Schweiz ist nicht Deutschland. Inwiefern könnten sich Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz auf die Texte des Synodalen Weges berufen – und vorwärts machen?

Schwickerath: Die Texte des Synodalen Weges sind sehr fundiert formuliert. Sie sind ein sehr guter Beitrag für unsere Debatten und Diskussionen.

Welche innovativen Schritte könnten in der Schweiz gegangen werden – inspiriert vom Synodalen Weg?

Schwickerath: Jede Ortskirche hat ihre eigene Dynamik. Die Schweiz hat vier Landessprachen, 26 Kantone und sehr verschiedene lokale Traditionen. Die Kirche in der Schweiz ist herausgefordert, ihren Weg zu suchen.

Ist das nicht eine Ausrede für Bequemlichkeit? Was werden Sie als Bischofsvikar nun ganz konkret anders machen?

Schwickerath: Nein, das ist das Wahrnehmen von ganz konkreten Realitäten, in denen wir leben in der Kirche Schweiz. Ich bin tagtäglich in Diskussionen und Gesprächen, sei es mit Mitarbeitenden, mit staatskirchenrechtlichen Institutionen oder mit Gläubigen. Ich bin in viele synodale Prozesse auf verschiedenen Ebenen involviert. Meine Aufgabe ist, die Menschen zu motivieren und zu unterstützen, die Zeichen der Zeit zu deuten und die nötigen Schritte in die Wege zu leiten.

Die deutschen Bischöfe wollen Missbrauchstäter stärker kontrollieren – unter anderem mit einer Kontaktperson, die selbst bei Bistumswechseln die Biographie des Täters beobachtet. Wäre so etwas auch für die Schweiz sinnvoll?

Schwickerath: Es besteht bereits eine enge Zusammenarbeit zwischen den Bistümern. Kein Priester, keine Theologin und kein Theologe mit Missio kann so einfach das Bistum wechseln, ohne dass das Personaldossier nicht gründlich geprüft wurde. Im Bistum Basel müssen alle Missioinhaberinnen und Missioinhaber regelmässig Strafregister- und Sonderprivatauszug einreichen. Auch wird viel in die Prävention investiert.

Schon die Synode 72 hat das Frauenpriestertum gefordert – und nichts ist passiert. Papst Franziskus lehnt das Frauenpriestertum ab – wenn auch nicht so kategorisch wie Papst Johannes Paul II. Wie geht’s hier weiter?

Schwickerath: Die Frage nach dem Frauenpriestertum ist momentan blockiert. Dies wurde auch in Frankfurt deutlich. Aber eine römische Kommission prüft die Frage nach dem Diakonat für Frauen. Hier sehe ich eine reale Chance für die nächsten Jahre. Die Aufhebung des Pflichtzölibates sowie die Diakoninnenweihe müssten gleichzeitig passieren.

Welcher Aspekt scheint Ihnen mit Blick auf den Synodalen Weg noch wichtig?

Schwickerath: Der Synodale Weg ist kein Spaziergang. Durchhaltevermögen ist angesagt. Und wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Wir sind nicht allein. Gottes Geistkraft begleitet uns, davon bin ich überzeugt.

Sie sind Luxemburger. Freuen Sie sich, dass die Chemie zwischen den Delegationen aus Deutschland, der Schweiz und aus Luxemburg auf der Europa-Synode in Prag sehr gut war?

Schwickerath: Natürlich freut mich das!

* Georges Schwickerath (54) ist Bischofsvikar für die zweisprachige Bistumsregion St. Verena mit Sitz in Biel. Er stammt aus Luxemburg und ist Doppelbürger Luxemburg/Schweiz mit Heimatort Bern. Er hat für die Schweizer Bischofskonferenz den Synodalen Weg in Frankfurt beobachtet.