
Reto Stampfli | Chefredaktor
Editorial
Letzte Hilfe
Die Begleitung eines sterbenden Menschen ist eine höchst intime und berührende Erfahrung. Sterben ist individuell, schlussendlich das Geheimnis jeder Person. Der Abschied fühlt sich für die Zurückbleibenden wie eine Kluft an, die sich immer weiter öffnet und bohrende Fragen hinterlässt. Können wir als Lebende überhaupt beurteilen, was gutes Sterben ist? Ist es der Abschluss eines erfüllten Lebens oder – wie es einige Philosophen mit «Leben heisst Sterben lernen» beschreiben – das Resultat einer lebenslangen bewussten Vorbereitung? Es bleibt viel Raum für Spekulationen. Etwas zeigt sich jedoch in der Erfahrung am Sterbebett durchwegs: Wenn ein Mensch im Sterben liegt, dem Tod immer näher kommt, sollte er nicht allein sein. In diesen Stunden braucht er mehr denn je Geborgenheit. Im Angesicht des nahen Todes wächst die Sehnsucht nach menschlicher Nähe. Doch diese Sehnsucht durchzieht nicht nur die sterbende Person, sondern auch die Menschen, die den Sterbenden begleiten. In diesen prägenden Momenten geschieht das Sich-nahe-sein in erster Linie durch körperlichen Kontakt. Worte sind dabei auch bedeutsam, doch die Berührung gibt Halt; sie ist durch Worte nicht ersetzbar.
Diese individuelle Begleitung Sterbender ist bis zuletzt möglich. Was viele Betroffene und deren Angehörige nicht wissen: Es gibt zahlreiche Formen der Unterstützung. Der Schwerpunkt dieser Nummer des Kirchenblatts gibt darüber Auskunft, was in unseren Spitälern und Kliniken in diesem Zusammenhang angeboten wird. Die Solothurner Spitäler und der Kanton Solothurn sind bemüht, die Öffentlichkeit für Palliative Care zu sensibilisieren und Projekte durchzuführen. Im Rahmen dieser Sensibilisierung startet ab diesem Herbst unter anderem das Projekt «Letzte Hilfe Kurse» in Kooperation der Kirchen mit «palliative-so». Der eintägige Kurs wird an verschiedenen Orten von in der Region tätigen Institutionen angeboten (Kirchgemeinden, Altersheime, Spitex, Krebsliga usw.) und von einem Zweier-Team geleitet, bestehend aus je einer Fachperson Pflege und Seelsorge. Der Kurs beinhaltet Anregungen, sich persönlich mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen, Informationen und praktische Hinweise zur Begleitung von Sterbenden und Einblick in die allgemeine palliative Versorgung im Kanton Solothurn. Es ist von grosser Bedeutung, dass diese fundamentalen Themen nicht «totgeschwiegen» werden. Ansonsten verkommt das Sterben immer mehr zu einem technischen Vorgang am Rande der Gesellschaft.