
Kuno Schmid | Chefredaktor
Editorial
Coronagespräche
Vor zwei Jahren tauchte erstmals das Coronavirus in den Medien auf. Eine Bedrohung – zuerst weit weg, aber rasch gefährlich nahe. Niemand kannte sich damit aus, Fachleute suchten Lösungen und konnten keine eindeutigen Antworten geben, eine ungewohnte Realität in unserer geordneten Gesellschaft. Es galt abzuwägen zwischen dem Schutz der Schwachen und dem Erhalt der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen, zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und der Freiheit des Einzelnen. Es brauchte Massnahmen, die immer wieder angepasst werden mussten, ein fortlaufender Lernprozess zwischen Hoffnung und Frust.
Seit zwei Jahren gibt es keine Gespräche mehr, bei denen wir nicht früher oder später bei der Pandemie landen. Wir erzählen von unseren Erfahrungen und Ängsten, wir wägen Einschätzungen und Meinungen ab. Wir versuchen es auf eine stimmige Reihe zu bringen und korrigieren unsere Vorstellungen aufgrund der Geschichten und Einwände anderer. Dieser Austausch ist wichtig, denn das gemeinsame Erzählen hilft, die Situation auszuhalten, die unsichere Lebenswelt immer wieder neu und sinnvoll zu ordnen, sich im dynamischen Geschehen zurechtzufinden sowie offen und kritisch Neues dazuzulernen.
Einigen wenigen ist das aber zu mühsam. Sie suchen nach einfacheren Antworten. Solche werden zahlreich angeboten, und sie verbreiten sich per Mausklick rasch im Internet. Es sind oft abstruse Geschichten, die hinter allem eine Verschwörung vermuten. Nicht das Virus sei gefährlich, sondern irgendwelche Eliten. Das ist bestens bekannt aus der Geschichte. In unsicheren Zeiten müssen Sündenböcke her. Mal sind es die Freimaurer, mal die Jesuiten, oftmals die Frauen und immer wieder die Juden. Mit Sündenböcken lässt sich die Welt ganz einfach erklären und in Gut und Böse aufteilen. Auch an den Rändern der Religionen und selbst bei einigen emeritierten Bischöfen und Kardinälen stossen solche Welterklärungen auf Interesse.
Solche Sündenbocktheorien und Heilsversprechen sind klar abzulehnen. Im Austausch über die Wirklichkeit lässt sich besser Kraft finden, um Unsicherheit aushalten und Vertrauen kritisch aufbauen zu können, Vertrauen untereinander, Vertrauen in die Fachleute, Vertrauen in Gott.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Kuno Schmid