Jugend

Von einer traditionsreichen Jugend zu wertvollen Erfahrungen

von Anna Trittibach

Beatrice Kaiser, Jahrgang 1941, blickt auf eine Jugend zurück, die von Familie und Gemeinschaft geprägt war. Sie spricht über ihre Zeit im Ausland, ihr Engagement beim Blauring, die Traditionen, die ihr Halt gaben, und vergleicht die Welt von damals mit der von heute. Vielen Dank, liebe Beatrice, für das interessante Interview!

Wie sah ein typischer Tag in deiner Jugend aus?
Mit 16 war ich ein Jahr in Paris und danach ein Jahr in Rom, um die Zeit bis zu meiner Ausbildung zur Krankenschwester zu überbrücken. Während der Ausbildung hatten wir 60-Stunden-Wochen mit wenig Freizeit, was für uns normal war. Die freie Zeit nutzte ich für den Blauring, wo ich mich sehr engagierte. Trotz der Belastung habe ich diese Zeit nicht als schlecht empfunden.

Welche Rolle hat die Familie für dich gespielt?
Die Familie war für mich und meine drei Geschwister sehr wichtig. Wir hatten einen guten Familienzusammenhalt und haben immer viel miteinander geredet. Abends beim Essen sind wir immer zusammengesessen und unser Vater hat lange mit uns geredet. Wir waren eine katholische, aber auch sehr weltoffene Familie. So habe ich von meinem Vater gelernt, eine weltoffene Einstellung zu haben – trotz der damaligen Zeit. 

Gab es Familientraditionen?
Oh ja, wir hatten viele schöne Traditionen. Zum Beispiel hatten wir in der Adventszeit eine kleine, leere Krippe. Wenn wir brav waren, durften wir einen Strohhalm hineinlegen. Manchmal hat meine Mama dann gesagt, dass das Christkind dieses Jahr ganz schön hart liegen muss. Wir hatten auch eine schöne Krippe, die unser Vater gemacht hat. Es war die Stadt Bethlehem mit Obelisken und allem. Das war so schön.

Gab es in der Schule Fächer, die es heute nicht mehr gibt?
Ich bedaure, dass es heute keinen obligatorischen Religionsunterricht mehr gibt. Viele Jugendliche in deinem Alter wissen gar nicht mehr, was Ostern, Weihnachten und so weiter eigentlich bedeuten. Es stört mich manchmal, dass immer nur das Schlechte an der Religion betont wird. 

Gab es gesellschaftliche oder politische Ereignisse, die deine Jugend geprägt haben?
Ja, ich habe die kargen Auswirkungen der Nachkriegszeit miterlebt. Zum Beispiel waren die Lebensmittel rationiert, bis ich fünf Jahre alt war. Erst als die Rationierung zwei Jahre nach Kriegsende aufgehoben wurde, änderte sich das Verhalten der Menschen schlagartig. 

Welche Ratschläge oder Erfahrungen würdest du der heutigen Jugend mit auf den Weg geben?
Zu erkennen, dass auch sehr schwierige und ausweglos erscheinende Situationen im Nachhinein helfen können, mich stärker und krisenfester zu machen. 

Das musste ich in meinem Leben nicht nur einmal lernen. Wenn es sehr schwierig war, konnte ich daran wachsen und die Chance nutzen, stärker zu werden und das Positive zu sehen. 

Was war der schönste Moment in deinem bisherigen Leben?
Jetzt. Ich schätze es sehr, dass ich gesund bin und es mir gut geht. Ich habe einen gewissen Altersstolz, dass ich all die schwierigen Dinge überstanden habe. Ich schaue gerne zurück auf ein schönes Leben mit tollen Erlebnissen und Fehlern, vielen dummen Fehlern. Aber ich habe alles gemeistert und jetzt bin ich hier. Gesund, glücklich und mit einer grossen Familie.