
Piero Paoletti CC-BY-SA-4.
Handwerker setzen 1949 die auf dem Titelbild reproduzierte Bronzeplatte in die von Vico Consorti geschaffene Heilige Pforte ein.
Schwerpunkt
Hoffnung statt Resignation
von Urban Fink-Wagner
Mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom setzte Papst Franziskus am Heiligabend 2024 ein Zeichen der Hoffnung. Warum diese Heilige Pforte und das Heilige Jahr 2025 nicht einfach ein altertümlicher und überholter Brauch sind, wird mit einem Blick in die Geschichte und in die Gegenwart deutlich.
Für das Heilige Jahr 2025, das erste reguläre Jubeljahr seit der Jahrtausendwende, wählte Papst Franziskus das Thema Hoffnung. Wo Kriege und Krisen die Menschheit zunehmend spalten und hoffnungslos machen, will Franziskus weltweit Räume der Barmherzigkeit und der Hoffnung eröffnet sehen: «Die Heilige Pforte steht für Jesus Christus, sein Heilsgeheimnis, das uns erlaubt, in das neue Leben einzutreten, frei von der Sklaverei der Sünde, frei, Gott und den Nächsten zu lieben und zu dienen.»
Jesus als Tür zum Heil
In seinem Schreiben zur Ausrufung des Heiligen Jahres 2025 betont Franziskus die Bedeutung von Geduld und Hoffnung auf dem Weg zu Jesus Christus, der für uns Mensch geworden ist und so zur eigentlichen «Tür zum Heil» und zur grossen Hoffnung geworden ist.
Warum ein Heiliges Jahr? Franziskus betont, dass das christliche Leben ein Weg ist, der auch starke Momente braucht, um die Hoffnung zu nähren und zu stärken. Das Unterwegs-Sein und Pilgern, ein wesentliches Element des Heiligen Jahres, stehen für diejenigen, die sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machen. «Eine Fusswallfahrt trägt sehr dazu bei, den Wert der Stille, der Anstrengung und der Konzentration auf das Wesentliche wiederzuentdecken», betont der Papst, der trotz seiner Abhängigkeit vom Rollstuhl keine Strapazen scheut, den Menschen nahe zu sein. Franziskus wünscht uns für das Heilige Jahr 2025 eine Prise olympischen Eifers. Für das katholische Grossereignis sollten die Christen «die Asche der Gewohnheit und der Untätigkeit abschütteln, um wie die Fackelträger bei Olympia die Flamme des Heiligen Geistes weiterzutragen».
Erfolgreiche Heilige Jahre
Die in der katholischen Kirche begangenen Heiligen Jahre erinnern an die biblisch begründeten Jubeljahre der Juden, die alle 50 Jahre gefeiert wurden. Aus dem «Jobeljahr» der Juden, welches ein besonderes Ruhejahr sein sollte, wurde seit der ersten Feier des Heiligen Jahrs 1300 ein Jahr des Friedens und der Vergebung, das mit einem vollkommenen Ablass, der Vergebung der Sündenstrafen, verbunden ist. Seit 1475 wird das Heilige Jahr ordentlich alle 25 Jahre begangen. Daneben gab und gibt es über 60 weltweite ausserordentliche Heilige Jahre, so auch 2016, als Papst Franziskus ein Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen hat.
Aber es gab und gibt auch immer Kritik. 1950 führte Papst Pius XII. Einwände gegen das damalige Heilige Jahr auf die moderne Mentalität und den unaufhaltsamen Prozess der Säkularisierung. Trotzdem sind die Heiligen Jahre bis heute ein Massenereignis, das nicht nur viele Leute nach Rom zieht, sondern auch in den Ortskirchen spirituelle Suchbewegungen auslöst.
Ärgernis Ablass
Vor der Reformation war der Ablass über Jahrhunderte ein Zeichen der Hoffnung und der Erleichterung. In den Frühzeiten der Kirche wurden schwere Sünden öffentlich gebeichtet. Nach der Vergebung wurde eine Strafe verhängt, die meistens den zeitweiligen Ausschluss aus der Sakramentengemeinschaft nach sich zog. Diese als hart empfundene zeitliche Sündenstrafe konnte durch Gebet, Fasten und gute Werke verkürzt werden. Mitchristen konnten dem einzelnen Sünder bei der Abarbeitung von Sündenstrafen solidarisch beistehen. Im 6. Jahrhundert wurde die öffentliche Busspraxis durch die Privatbeichte abgelöst. Für die Verminderung oder den Erlass von zeitlichen Sündenstrafen wurden Ablässe eingeführt, die wie früher mit Beichte, Gebet, Gottesdienst und guten Werken verbunden sind. Theologisch sind Ablässe möglich, weil es in der Gemeinschaft der Kirche immer mehr Gnade als Sünde gibt und so der Gnadenüberfluss dem einzelnen Menschen, der bereut und Genugtuung leistet, zugutekommen kann.
Als aber vor und während der Reformation Ablässe verkauft wurden, wurde dieser Ablasshandel zu einem Auslöser für die Kirchenspaltung und zu einem Ärgernis sondergleichen. Seither ist der Handel von Ablassbriefen gegen Geld in der katholischen Kirche verboten. Der Grundgedanke hinter dem Ablass, solidarisch Strafe zu tragen und Genugtuung zu leisten, ist jedoch gerade heute, wo das Bewusstsein für Schuld und Wiedergutmachung in der Gesellschaft nicht an vorderster Stelle steht, durchaus aktuell.
«Unsere» Heilige Pforte
Eine Hilfe für das Verständnis des Heiligen Jahres sind nicht nur die biblisch geprägten Darstellungen auf der Vorderseite der Heiligen Pforte im Petersdom im Spannungsfeld von Sünde und Gnade, sondern die Tatsache, dass die Heilige Pforte im Petersdom in Rom gewissermassen unsere eigene Türe ist. Denn der Basler Bischof Franziskus von Streng und die Gläubigen seiner Diözese finanzierten die gegenwärtige «Porta Santa» 1949 durch eine Jubiläumskollekte, die zu Ehren des 50-Jahr-Priesterjubiläums von Pius XII. aufgenommen wurde. Der Zusammenhang mit dem Bistum Basel wird auf der Vorderseite der Heiligen Pforte rechts unten bei der Darstellung der Öffnung der Pforte durch Pius XII. deutlich. Neben Pius XII. sind auch ein Schweizergardist und Bischof Franziskus von Streng abgebildet. Auf der Innenseite der Pforte steht ausserdem folgende Widmung: «Unser Vaterland blieb vor der Kriegsfackel glücklich verschont. Gott, dem Retter, zur Huldigung, dem Stifter von Völkerfrieden, Papst Pius XII., zum Dank widmet die Flügel der Heiligen Pforte Franciscus von Streng, Bischof von Basel und Lugano, im Verein mit seinen Gläubigen im Jubiläumsjahr 1950».
Das Heilige Jahr zu hause
Wer aufbrechen will, muss jedoch nicht unbedingt nach Rom wallfahren. Im Bistum Basel laden zehn ausgewählte Kirchen – eine in jedem Bistumskanton, im Kanton Solothurn die Klosterkirche Mariastein – sowie die Kathedrale in Solothurn als Heilig-Jahr-Pilgerkirchen dazu ein, Hoffnung aus dem gemeinsamen Unterwegssein zu schöpfen. Auch die anderen Schweizer Bistümer haben solche Wallfahrtskirchen für das Heilige Jahr 2025 bestimmt. Wer sich dem gemeinsamen Gebet anschliesst, das verbindende Glaubensbekenntnis spricht und die Sakramente der Versöhnung sowie der Eucharistie feiert, empfängt den Gnadenerweis Heiliger Jahre: Entdecken auch Sie die Besonderheiten dieser Kirchen und spüren Sie in der Gemeinschaft der Christgläubigen die heilsame Kraft, welche die Frohe Botschaft Jesu Christi entfaltet!

Bischof Felix mit einem Modell der Heiligen Pforte im Bischöflichen Ordinariat in Solothurn. (Bild: Viviane Rivas)
Der Historiker und Theologe Urban Fink-Wagner ist Geschäftsführer des röm.-kath. Hilfswerks Inländische Mission. Er ist Mitherausgeber der Bücher «Die Bischöfe von Basel 1794–1995» (1996) und «Der Weihbischof im Bistum Basel» (2015)