
Claudia Küpfert-Heule
Bornkapelle
Schwerpunkt
Rückzugsorte
Für etliche bieten die Sommerwochen die einzige Gelegenheit, länger Ferien zu machen. Anderen ist diese Möglichkeit verwehrt, oder sie bleiben bewusst zuhause. Neben grossen Ferien gibt es aber auch kleine, die leicht umsetzbar sind, kaum Geld kosten und fast jederzeit realisiert werden können. Drei Mitglieder unseres Redaktionsteams stellen drei spannende Rückzugsorte vor.
Mein Rückzugsort der Born
Eine Reise durch Erinnerungen und Natur
Der Born war schon immer mehr als nur eine Spaziergegend für mich. Er war ein Ort der Zusammenkunft, der Gemeinschaft und des Feierns. Besonders in meiner Kindheit, als der jährliche Feldgottesdienst an Auffahrt eine tief verwurzelte Tradition war. Die Vorfreude begann schon Tage vorher, wenn die Eltern das Picknick vorbereiteten und wir Kinder unsere Sonntagskleider anzogen. Hoch oben auf der Bornwiese, umgeben von der üppigen Natur, erstrahlte der wiesenblumengeschmückte Altar im Sonnenlicht, und die Klänge des Gesangs erfüllten die Luft.
Nach dem Gottesdienst war die Bornwiese ein Ort des Frohsinns. Wir Kinder schwärmten aus, spielten Fangball und warfen uns lachend ins Gras. Die Erwachsenen tauschten Geschichten aus und das mitgebrachte Picknick schmeckte unter freiem Himmel besonders gut. Diese Tage blieben mir in lebhafter Erinnerung und legten den Grundstein für meine tiefe Verbundenheit mit dem Born.
Der Born heute: Ein Zufluchtsort der Natur
In den letzten Jahren hat der Born für mich eine neue Bedeutung gewonnen. Er ist nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch ein Zufluchtsort, ein Ort der Ruhe und der Naturverbundenheit. Gemeinsam mit meinem Partner streifen wir durch diese idyllische Landschaft. Unser Weg führt uns an unzähligen Blumenwiesen vorbei, auf denen Schmetterlinge in allen Farben tanzen und Wildbienen fleissig Pollen sammeln.
Besonders beeindruckend ist die Vielfalt der Insekten und Vögel, die hier heimisch sind. Schwebfliegen schwirren durch die Luft und Eidechsen huschen über die sonnenerwärmten Steine. Jeder Schritt wird vom leisen Rascheln begleitet und manchmal bleibt man einfach stehen, um die Stille zu geniessen, die nur durch das Zwitschern der Vögel unterbrochen wird.
Die spirituelle Reise zur Bornkapelle
Unser Ziel ist oft die kleine, bescheidene Bornkapelle, ein Ort der inneren Einkehr und des Friedens. Wenn die Kapelle geöffnet ist, treten wir ein und lassen die Stille auf uns wirken. Manchmal singen wir zusammen ein Lied, das in der Stille des Raums nachklingt und uns noch mehr mit diesem magischen Ort verbindet. Es ist ein Moment des Innehaltens, des Abschaltens vom hektischen Alltag und des Auftankens neuer Energie.
Der Rückweg entlang des Kreuzwegs ist ein weiterer Höhepunkt unseres Ausflugs. Die Stationen laden zum Nachdenken und Verweilen ein. Der Weg zurück ins Dorf ist gesäumt von alten Bäumen und blühenden Sträuchern, und jedes Mal kehren wir mit einer tiefen inneren Ruhe und Zufriedenheit zurück.
Claudia Küpfert-Heule

Rückzugsort Brocki
Es sind die ersten Tage mit richtiger Sommerhitze. Neben dem Verfassen dieses Kirchenblattartikels warten noch ein Vertragsentwurf, die Gestaltung eines spirituellen Impulses, das Texten eines Erstkommunionliedes, diverse unbeantwortete Mails.
In solchen Momenten, in denen mir nicht klar ist, womit ich beginnen soll, wenn Ideen und Inspiration fehlen, ziehe ich mich gerne in mein Lieblingsbrockenhaus zurück. Fünfzehn bis zwanzig Minuten Auszeit zwischen Altgedientem.
Zuerst ein kleiner Rundgang zum Verschaffen eines Überblicks, was es Neues gibt. Oder schauen, was mir beim letzten Besuch aufgefallen ist, aber nicht mitdurfte. Ist es noch da?
Das Brocki ist für mich eine Einladung, mich nicht so wichtig zu nehmen. Denn das Brocki ist ein guter Seismograf für Modetrends, die eben keine mehr sind. In meiner Jugendzeit waren gerahmte Stiche sehr gefragt und teuer. Heute hängen die Bilder in den vergoldeten Rahmen oft monatelang, bis sie eine Liebhaberin oder einen Käufer finden, und erst noch zu einem Spottpreis.
Der Besuch im Brockenhaus ist für mich Fantasieanregung. Manchmal habe ich keine Ahnung, wozu ein Gegenstand einmal nützlich war oder gebraucht wurde … Dann fangen die Gedanken an zu kreisen … und zum Schluss frage ich dann vielleicht beim Personal nach.
Das Brocki ist für mich aber auch Einladung, die Schönheit des Alltags zu geniessen. Immer wieder bleibt mein Blick irgendwo an einem Gegenstand hängen, der besonders schön gestaltet ist, der mich von der handwerklichen Qualität beeindruckt oder mir die gestalterische Ausführung gefällt.
Eine Brockenstube ist für mich ein Ort zur Erinnerung. Ein Gang durchs Brocki ist immer wieder ein Eintauchen in die eigene Vergangenheit. Eine alte Kaffeekanne erinnert an Besuche bei der Grossmutter. Alte Schraubschlüssel erinnern an die Werkstatt des Onkels.
Und zum Schluss noch ein Abstecher in die Buchabteilung. Auch hier Historisches und Kurioses in friedlichem Nebeneinander. Ein letztes Abtauchen in eine andere Welt, bevor dann das Schreiben des Kirchenblattartikels hoffentlich gut gelingt?! Oder soll ich doch vielleicht zuerst das Lied anpacken?
Johannes Rösch

Rückzugsort Klosterkirche
Mitten im Solothurner Steingrubenquartier liegt das Kloster Namen Jesu, das viele nur von aussen kennen. Der weitläufige Gebäudetrakt wird durch einen eindrücklichen Umschwung ergänzt, mit einem Klostergarten, der seinesgleichen sucht. Für alle zugänglich ist die Kirche des Kapuzinerinnenklosters. Sie stellt für mich einen ganz besonderen Ort dar, und das nicht nur im Sommer, wenn die alten Mauern ein angenehmes Raumklima garantieren. Die 1620 eingeweihte Kirche verfügt über einen schlichten Charakter, bis auf eine Figurengruppe an der Südwand und liturgischen Gegenständen ist der Innenraum, vom romanischen Baustil beeinflusst, völlig leer. Doch gerade durch diese ungewohnte Leere und Kargheit wirkte der Raum auf seine Betrachter. Man fühlte sich ungebunden und berührend unberührt. Die Geräusche der geschäftigen Welt gelangen nur gedämpft in das Kircheninnere, in dem es einen klaren Blickfang gibt: das überlebensgrosse Kruzifix an der Altarwand. Dieses mächtige, aber nicht übermächtige Holzkreuz hat es mir angetan. Dieses hölzerne Kunstwerk zieht den Besucher in seinen Bann. Es kennt eine bewegte Geschichte. Nach alter klösterlicher Überlieferung soll es Albrecht von Nürnberg für das Berner Münster geschnitzt haben. Sein Pendant befindet sich übrigens in der Christoffelpassage im Bahnhof Bern. Dort grüsst der sogenannte «Gring» als Kunststoffabguss eines spätgotischen Christophoruskopfes die Bahnreisenden. Es ist der ursprüngliche Teil einer riesigen Holzstatue des heiligen Christophorus am Berner Christoffelturm. Der über 4 Meter lange Leib Christi im «Namen Jesu» ist aus einem einzigen Lindenholzstamm geschnitzt und über 100 Jahre älter als die eigentliche Klosteranlage. Dieses dominierende Kreuz wurde erst während der grossen Renovation in den 1970er-Jahren im Kircheninnern platziert. Es trat an die Stelle des barocken Altars, erinnert an die zentrale christliche Botschaft von Passion und Tod Jesu und unterstreicht dabei die sakrale Schlichtheit der Kapuzinerinnen. Ich liebe Klosterkirchen mit einem schlichten und klaren Konzept. Mehrmals im Jahr fahre ich auch nach Fribourg und wandere dann zum Zisterzienserkloster in Hauterive. Manchmal wünsche ich mir, mein Leben wäre auch so unverstellt wie eine Klosterkirche; kein Aufstapeln von Besitztümern, kein Maulwurfverhalten. Eine wohltuende Konzentration auf das Wesentliche. Ein Freisein von Ansprüchen und Abhängigkeiten.