Aktion «72 Stunden» für die Allgemeinheit

Im Rahmen der Aktion «72 Stunden» engagieren sich Jugendliche für die Allgemeinheit. In Aarau kochen Jubla-Leiterinnen und -leiter Suppe aus abgelaufener Ware, die Einnahmen spenden sie wohltätigen Organisationen. kath.ch war am Freitag dabei.

07:35 Uhr, Migros Aarau, Filiale Bahnhof: Wirz, Cherrytomaten, einige Beutel Kartoffeln, eine Gurke, grüner Salat, Kakifrüchte und Minibananen. Diese Produkte mit beinahe erreichtem oder gar abgelaufenen Datum kann der Migros-Markt beim Bahnhof nicht mehr verkaufen. 

Zum Glück für die vier jungen Leiterinnen und Leiter der Jubla Aarau. Mit den Angestellten der Migros-Filiale beim Bahnhof Aarau haben sie vereinbart, dass sie morgens solche Produkte gratis abholen können, um sie für einen guten Zweck zu verwenden.

«Die Pendler kaufen keine herabgesetzten Produkte», weiss der stellvertretende Filialleiter Tunahan Tomel. Irgendwo in einem rückwärtigen Raum der Filiale haben die Migros-Angestellten die übrig gebliebenen Lebensmittel für die Jubla bereitgestellt.

Die Kisten bringen die vier Jubla-Leiter im Alter zwischen 16 und 19 zu Fuss zum nahen Pfarreizentrum. Alle tragen sie die grünen Mützen der «72-Stunden»-Aktion. 

«Ich dachte, es wäre mehr Gemüse dabei», sagt Jasmin Schmid unterwegs, mit Blick auf den Salat und die Früchte in den grauen Kisten. Doch Pippi, wie sie in der Jubla heisst, zerbricht sich deswegen nicht den Kopf: «Wir werden schon etwas hinkriegen.» 

Unter dem Projekttitel «Suppenküche in Aarau» wollen die rund 15 Jubla-Leiterinnen und -leiter im Stadtzentrum in Aarau an diesem Freitag «Suppe, Brot und Getränke für alle» anbieten, wie es im Projektbeschrieb heisst. Dies im Rahmen der Aktion «72 Stunden», bei welcher sich Jugendbände für andere engagieren (siehe Kasten rechts). Die Suppe soll aus Lebensmitteln gekocht werden, die sonst weggeworfen würden, dies die Idee. Den Erlös wollen die Jubla-Leiter wohltätigen Organisationen spenden, die ebenfalls teils Food Waste bekämpfen: der Schweizer Tafel und Tischlein deck dich. Ausserdem der Heilsarmee. 

Es habe auch noch einzelne andere Ideen gegeben, sagt Pippi unterwegs. Dass man auch die Wände einer Unterführung bemalen könnte, habe man bald einmal verworfen.

In der Küche des Pfarreizentrums packen die Jubla-Leiter die Lebensmittel aus. Aber was riecht denn hier so unangenehm? 

Beim Verstauen der Waren im Kühlschrank merken die Leiter schnell: Der fischige Geruch stammt von einer einzigen Kartoffel, der den ganzen Beutel geruchlich kontaminiert. Diese Packung ist nicht mehr zu retten und wandert in den Abfall.

08:10 Uhr, Pfarreizentrum St. Peter und Paul: Die Jubla-Leiterinnen und Leiter besprechen in einem Raum des Zentrums den bevorstehenden Streetfood-Auftritt im Aarauer Stadtzentrum. Die Runde diskutiert, wie das Angebot erklärt und angepriesen werden soll. «Den Preis sollen die Kunden doch selbst bestimmen», sagt Miriam Osuna alias Kyox. 

Später führt Elvira Kolb alias Benavi die Sitzung in einem Raum im Pfarreizentrum. Sie sitzt am Notebook und schreibt auf, wer wann kocht, das Essen zum Stand bringt und wer es dort verkauft. Und: Es fehlen noch ein paar Zutaten für die Suppe, zum Beispiel Zwiebeln. «Wir könnten auch noch an den Haustüren nach Lebensmitteln betteln gehen», schlägt Sprotte vor, die sonst Zoe Laroche heisst. Doch das wird im Plenum kritisch gesehen. «mega aufwändig», heisst es in der Runde. 

Doch es lässt sich auch anders lösen. Denn im Lauf des Morgens treffen auch Lebensmittel-Spenden ein. Meist von Eltern der Jugendlichen und jungen Erwachenen zwar. Aber nicht nur. Eine Frau bringt eine Papiersack mit Reis und Zitronen. Sie ist eine der 700 Personen, denen die Leiter einen Flyer mit dem Aufruf zur Lebensmittelspende in den Briefkasten gelegt hat. «Sie hat unseren Flyer gelesen», freut sich Anouk «Nala» Fallegger. Aber was machen die Köche mit dem Reis? 

«Wenn wir ab 10 Uhr in der Igelweid im Stadtzentrum Essen verkaufen wollen, müssen wir jetzt mit dem Kochen anfangen», mahnt Noëmi Seefeld, im der Jubla Agea genannt. Wir müssen gar nichts, entgegnet ihr Nala. Doch die Leiter einigen sich darauf, dass die erste Küchenschicht schon mal mit dem Gemüseschneiden beginnt, bis die benötigten Zwiebeln organisiert sind.

«Wieviel Suppe wir kochen wollen, haben wir nicht geplant», sagt Synes Weber alias Scrat. Das scheint auch gar nicht nötig, wie sich nun in der Küche zeigt. Zutaten gibt es ja nun mehr als genug. Aus dem Reis gibts ein Curry fürs Mittagessen des Teams, dazu passen gebratene Minibananen. 

Gin, der richtig Jackie Phan heisst, hat inzwischen begonnen, Gemüse zu rüsten. Die Salatgurkenscheiben verwenden Eva Hess (Ciria) und Miriam Osuna (Kyox) für die Sandwiches aus Brötchen vom Vortag, die eine Aarauer Bäckerei ihnen überlassen hat. 

10:00 Uhr, Igelweid, Stadtzentrum Aarau: Es ist beissend kalt. Ciria und Kyox haben ihre Sandwiches auf Platten und zu Fuss zum Verkaufsort im Stadtzentrum gebracht. Dort stehen die Festgarnituren noch gestapelt da. 

Apollo (Alexis Arnold), Sel (Anaïs Lazic) und Findus (Lara Ruess) versuchen, den Überblick im Stangenwald eines Standzeltes zu bekommen. Irgend etwas geht bei den verschiedenen Stangenlängen nicht auf, immer wieder fällt eine Stange aus der Halterung. 

Nala, die später dazustösst, fordert per Telefon Verstärkung aus dem Pfarreizentrum an. 

10:50 Pfarreizentrum: Inzwischen ist die Suppe auf gutem Wege. «Wir mussten eine Weile auf die Zwiebeln warten», sagt Pippi. Was geschieht eigentlich mit dem Rest, wenn Suppe übrig bleiben würde? «Dann teilen wir es untereinander auf.» 

11:30 Pfarreizentrum: Pippi telefoniert. «Die Suppe ist bereit, könnt ihr sie mit dem Wägeli holen?»

Der kleine Wagen eignet sich perfekt für den Transport der Armee-Suppenkiste. Sel und Findus sind bald damit unterwegs. 

12:00: Igelweid, Stadtzenztrum Aarau: Die erste Suppe ist verkauft. Habt ihr genug Gemüse bekommen, fragt die Kundin. Sie ist eine Schwester einer Leiterin. «Die Suppe ist echt fein», sagt sie.
Ein Passant fragt: «Wie kann ich euch unterstützen? Hunger habe ich nicht.» Die jungen Erwachsenen erklären ihr Projekt. «Macht ihr sonst noch etwas ausser Suppe, andere bauen in dieser Zeit ein Haus», fragt der Mann nach, dem die «72-Stunden»-Aktion offenbar bekannt ist. Schliesslich verlässt er den Stand, ohne etwas zu spenden.

«Sorry, dass wir nicht noch ein Haus bauen», sagt eine der Leiterinnen, als er weg ist, die anderen am Stand grinsen. 

Inzwischen hat sich vor einem nahen Essensstand mit japanischer Flagge eine Schlange von Kunden gebildet. Dem Jubla-Stand gegenüber sitzt ein junger Mann und verpflegt sich aus einem Take-away-Plastikgefäss. «Vielleicht sollten wir noch Kaffee anbieten», sagt Apollo. 

Die Leiter sind zuversichtlich, dass am nächsten Tag, am Samstag, mehr Leute in der Innenstadt sein werden und dass dann die Nachfrage grösser sein wird. Inzwischen gibt es aber auch am Jubla-Stand immer mehr Betrieb. Unterstützer des Suppenprojekts setzten sich mit ihrer Suppenschale an die Tische. 

Am folgenden Tag werden zudem die Kinder der diversen Jubla-Gruppen in der Innenstadt Flyer verteilen und so auf das Suppenprojekt aufmerksam machen. Die Leiter werden dabei die Gruppenaktivität leiten und dabei den Stand betreiben. «Genau planen wir es heute Abend», sagt Apollo.