Die Ja-Sagerinnen – ist die Solo-Ehe ein neuer Trend?

Bereits 2003 gab sich Carrie Bradshaw aus der Serie «Sex and the City» aus Trotz selbst das Ja-Wort.

Sie fand es ungerecht, sich von einer verheirateten Bekannten als Mensch «ohne wirkliches Leben» bezeichnen lassen zu müssen. Dies, weil sie bekennende Singlefrau war und es in vollen Zügen genoss.

Promi-Trend zur Solo-Ehe?

2017 postete das brasilianische Model Adriana Lima auf Instagram ein Bild von sich mit «Ehering» und schrieb dazu, dass sie mit sich selbst glücklich verheiratet und single sei.

Ende 2022 erklärte Schauspielerin und Sängerin Selena Gomez in einem Interview mit dem Rolling Stone sie habe spontan ihren 30. Geburtstag zu einer Hochzeitsparty mit sich selbst umgestaltet. Schliesslich sei sie stets davon ausgegangen, in diesem Alter verheiratet zu sein.

Wenn halbwegs prominente Persönlichkeiten aus dem Show-Business sich publikumswirksam als «mit sich selbst verheiratet» inszenieren, dann bleibt das nicht ohne Folgen.

Von einem Trend zu sprechen, wäre übertrieben, aber seit fünf, sechs Jahren erscheinen auch in Europa immer wieder Berichte über Selbsthochzeiten, auch Sologamie genannt. Dies, obwohl dieser Akt der Selbstliebe bereits in der Hippiekultur verbreitet war. Die Gründe dafür, weshalb heute insbesondere Frauen eine Heirat mit sich selbst eingehen möchten, sind verschieden.

Glücklich allein statt alte Jungfer

Für einige Frauen geht es tatsächlich darum, ihre Lebensentscheidungen zu feiern – auch oder gerade dann, wenn sie von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Unverheiratete Frauen über 30 werden auch heute noch in gewissen Kreisen argwöhnisch oder mitleidig beäugt. Sie werden vielleicht nicht mehr als «alte Jungfer» bezeichnet, aber häufig auch nicht als «vollwertige» Frauen betrachtet; ganz im Gegensatz zu alleinstehend Männern.

Anders als Männer werden Frauen ab einem gewissen Alter ständig gefragt, ob und wann sie heiraten wollen. Das setzt unter Druck und stilisiert das Eheleben und insbesondere den Akt der Trauung zu einem Lebensziel. Dabei ist eine Hochzeit per se einfach ein Ritual, das einen Übergang von einer Lebensphase in eine nächste kennzeichnet. Weshalb sollte eine alleinstehende Person, die glücklich ohne Partnerin oder Partner lebt, diese Entscheidung nicht auch feiern dürfen? Wenn es sein muss, sogar mit Brautkleid, Fest und Ring? Rechtlich hat eine Selbstheirat keine Konsequenzen, sie wird aktuell nirgends auf der Welt zivilstandsamtlich anerkannt.

Narziss lässt grüssen – oder doch nicht?

Eine Selbstheirat hat insofern nichts mit Narzissmus zu tun, als dass sie nicht bedeutet, dass man nur auf sich selbst fokussiert ist oder beziehungsunfähig. Auch wenn der Brauch, sich bei der Zeremonie im Spiegel selbst zu küssen schon ambivalente Gefühle weckt. Schliesslich heisst es im Matthäusevangelium: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst». Wenn ich mich selbst annehme, wie ich bin, dann bin ich fähig, andere anzunehmen und zu lieben mit all ihren Macken.

Für viele Frauen ist eine Selbstheirat einfach ein Zeichen eines versöhnlichen Mit-Sich-im-Reinen-Seins und eine Form der Selbstbestätigung. Frau lebt genau so, wie sie es will und muss sich auch nicht rechtfertigen. Eine hochzeitsähnliche Zeremonie mit Freunden und Verwandten verleiht diesem Ja zu sich selbst eine tiefere Bedeutung.

Segen statt Hochzeitsfeier

2018 fand in der St. Pauli-Kirche in Hamburg die Segensfeier für eine Frau statt, die sich selbst heiraten wollte. Wie der Pastor der «Welt»erklärte, hatte er sich darauf eingelassen, weil er in der Lebensgeschichte der Frau den Wunsch erkannte, ein öffentliches Bekenntnis zu sich selbst ablegen zu wollen. Das sei ein seelsorgerisches Anliegen, dem er somit entsprochen habe. Ob weitere Kirchenvertreter – gar in der Schweiz – ähnliche Anfragen bekommen haben, bleibt bislang noch unerforscht.

Übrigens bedeutet eine Selbstheirat nicht, dass man Ehebruch begeht, wenn man sich dann doch für eine feste Partnerschaft mit einer anderen Person entscheidet. Vielleicht setzt man einfach andere Massstäbe, wenn es darum geht, was eine gute Beziehung ausmacht. Adriana Lima ist zumindest wieder in festen Händen.

Bräute ohne sichtbaren Bräutigam – eine katholische Selbstverständlichkeit

In der Kirchengeschichte sind «Bräute» ohne sichtbaren Partner seit der Zeit der Alten Kirche bekannt. Unter dem Begriff der mystischen Hochzeit wird die Vereinigung Gottes mit dem Menschen, genauer einer irdischen Frau, verstanden. Nonnen und geweihte Jungfrauen gelobten und geloben bis heute, sich Gott ganz und gar anzuvertrauen.

Als Siegel dieses «Ehe»Versprechens überreicht der Bischof den geweihten Jungfrauen, manchmal auch den Nonnen einen Ring. Zusammen mit dem Schleier ein Zeichen der endgültigen Bindung an ihren Bräutigam.

Feministische Statement?!

Die Tendenz, die Sologamie als feministisches Statement aufzufassen, ist zwiespältig. Einerseits ist es wichtig, als junge Frau zu wissen, dass es keinen männlichen Partner braucht, um glücklich zu werden. Singles haben dieselbe Daseinsberechtigung wie Paare. Vielleicht helfen öffentlich gemachte Selbsthochzeiten, dass die Gesellschaft diesbezügliche Wertungen endlich überdenkt.

Lange Zeit war der Eintritt in ein Kloster die einzige Möglichkeit, wie sich junge Frauen den Zwängen der patriarchalen Gesellschaft entziehen konnten und dennoch respektiert wurden.

Andererseits verleiht die Selbstheirat dem Akt der «Eheschliessung» eine enorme Wichtigkeit. Einem Ritual, das eine patriarchal geprägte Lebensform einleitet, die in Anbetracht der Scheidungsrate und der Vielfalt an Lebensformen längst überholt zu sein scheint.

Nicht zu vergessen ist das kostenintensive «Brimborium», das auch bei einer Selbstheirat durchaus eine zentrale Rolle spielt. Mittlerweile gibt es sogar Solo-Wedding-Planer, die Ehevorbereitungskurse und Zeremonien-Packages anbieten. Ob die Bilder von Selbsthochzeiten wirklich eine feministische oder radikal revolutionäre Aussagekraft haben, muss wohl jede und jeder für sich entscheiden.

Boom der Solo-Ehen in Asien

In den letzten Jahren hat sich in Japan und Korea die Selbstehe zum lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Nach der Ehe ist es in beiden Ländern für viele gut ausgebildete Frauen mit der Selbstverwirklichung vorbei. Der gesellschaftliche Druck zu heiraten ist aber gross.

Deshalb gibt es in diesen Ländern seit längerem Agenturen, die diesen Frauen Hochzeiten organisieren mit allem drum und dran; wenn es sein muss, sogar mit einem Model als Scheinehemann. Ausgerüstet mit Hochzeitsfotos und Ring können diese «Ehe»Frauen die ewigen Nachfragen nach dem Zivilstand parieren und unabhängig bleiben. Für andere Single-Frauen bieten diese Packages die Möglichkeit, auch ohne Partner einmal das Gefühl zu erleben, als Braut im Zentrum des Interesses zu stehen.

In Anbetracht dessen, dass wir alle bis zu unserem Lebensende mit uns auskommen müssen, ist die Idee der Selbstehe gar nicht so verkehrt. Vielleicht würden die Scheidungsraten sinken, wenn wir alle lernen müssten, vor einer «normalen Hochzeit» zuerst mit uns selbst auszukommen… (kath.ch)

Filmtipp zum Thema: «Rosas Hochzeit (La boda de Rosa)» (Spanien/Frankreich 2020, Regie: Icíar Bollaín) zum Streamen auf: filmingo.ch oder cinefile.ch