Droht Albert Schweitzer vergessen zu werden?

Mit seiner Kulturkritik, seinem Werben für Tierschutz und der Verurteilung von Atomwaffen sind die Gedanken von Albert Schweitzer hochaktuell. Dennoch gerate er zunehmend in Vergessenheit, erklärte Roland Wolf vom Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrum in Offenbach.

Früher Hype um Humanisten

In den 1950er und 60er Jahren habe es noch einen regelrechten Hype um den Humanisten, evangelischen Theologen und Friedensnobelpreisträger gegeben. Inzwischen werde dieser kaum noch wahrgenommen, bedauert der Vorsitzende des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene.

Deshalb komme das Jahr 2025 mit zwei Gedenktagen – neben dem 150. Geburtstag am 14. Januar jährt sich am 4. September 2025 auch sein 60. Todestag (1965) – sehr gelegen. Im Fokus soll dabei Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben stehen. Die Offenbacher Begegnungsstätte möchte das geistige Vermächtnis Schweitzers «wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein» bringen, wie es auf der Homepage heisst.

Schul-Namen mit Inhalt füllen

Wolf ist es wichtig, junge Leute mit den Gedanken Schweitzers vertraut zu machen. «Man muss früh damit anfangen», sagte der pensionierte Studiendirektor. Ihm mache es Hoffnung, dass sich Schüler von der Ehrfurcht vor dem Leben ansprechen liessen.

Zugleich gebe es unter den rund 200 nach Schweitzer benannten Schulen in Deutschland «nur eine geringe Zahl», an denen eine aktive Albert-Schweitzer-Arbeit betrieben werde. Der Name der Schulen müsse aber auch mit Inhalt gefüllt werden, sagte der Pädagoge.

1952 Friedensnobelpreis erhalten

Vor 150 Jahren, am 14. Januar 1875, wurde Albert Schweitzer im elsässischen Kaysersberg geboren. Schweitzer war ein Universalgenie voller Schaffenskraft – Tropenmediziner, Theologe, Religionsphilosoph, herausragender Bach-Interpret an der Orgel, Orgelbauer, Musikwissenschaftler, Kulturkritiker und Schriftsteller.

Er beherrschte mehrere Sprachen, war Humanist und bekam 1952 den Friedensnobelpreis. In einem Atemzug wird Schweitzer neben «Mahatma» Gandhi, Martin Luther King und Mutter Teresa zu den grossen Vorbildern des 20. Jahrhunderts gezählt.

Frühes Gespür für Leid und Elend

Schon als Junge hatte er ein Gespür für Leid und Elend in der Welt. Unbefangene jugendliche Lebensfreude habe er nie gekannt, wird er sich später erinnern: «Insbesondere litt ich darunter, dass die armen Tiere so viel Schmerz und Not auszustehen haben.» So verfolgte ihn wochenlang der Anblick eines lahmenden Pferdes, das zum Schlachthaus geprügelt wurde.

Schweitzer studierte evangelische Theologie und beschloss, nach Afrika zu gehen. Dort waren freilich weniger Theologen und schon gar keine Organisten gefragt, sondern Ärzte. Also studierte er Medizin und kam mit 38 Jahren als approbierter Arzt nach Lambarene, wo er ein Krankenhaus gründete. Den Sonntag nutzte der charismatische «Urwalddoktor» mit dem struppigen Schnauzbart, um zu predigen.

Gegen Atomwaffenversuche

Das atomare Kräftemessen der Grossmächte im Kalten Krieg bereitete ihm – dem sanftmütigen Freund allen Lebens – tiefe Sorgen. In einer weltweit verbreiteten Rundfunkrede rief Schweitzer die Atommächte zum sofortigen Stopp ihrer Nukleartests auf. Noch im hohen Alter erhob er – in tiefer Sorge um das Schicksal der Menschheit – seine Stimme gegen Atomwaffenversuche. Bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises stellte er fest, dass der Mensch umso armseliger werde, je mehr Macht er bekomme. (kna)