Durch die Kirche muss ein Ruck gehen

Worte statt Taten: So lässt sich das Treffen der Bischöfe mit Vertretern der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) zusammenfassen. Trägheit kann sich die Kirche aber nicht leisten. Es liegt nun an den Jugendvertretern, die Bischöfe wachzurütteln. Und an uns allen.

Raphael Rauch

Während der Medienkonferenz am Freitag in Bern erreichte Bischof Joseph Bonnemain die Nachricht vom Tod des Bündner Priesters Giusep Cathomas. Vielleicht hat der Bischof von Chur an die Aufbruchsstimmung gedacht, für die Giusep Cathomas in den 1960er-Jahren stand. Er hat die Kirche in den Bündner Bergen und Tälern revolutioniert. Statt den Katechismus stellte er die Menschen ins Zentrum. Statt Formalismus wählte er Freiheit. Statt Stillstand wählte er Aggiornamento.

Warum ignorieren die Bischöfe theologische Profis?

Aggiornamento, dieses wunderschöne Wort ist ein Auftrag für die Kirche in der Welt von heute. Überzeugende Antworten haben die Bischöfe bislang nicht geliefert. Die entgegengestreckte Hand der RKZ, zusammen einen synodalen Weg zu gehen, schlugen die Bischöfe aus – ohne überzeugende Alternativen zu präsentieren. Auch das Angebot des Fastenopfers, Synodalität mit Partnern im Süden zu diskutieren, stiess bislang nicht auf Interesse. Man fragt sich, wie die Bischöfe alle Getauften am synodalen Prozess beteiligen wollen – wenn sie selbst theologische Profis ignoriert, die ihre Hilfe anbieten.

RKZ: «Die Bischöfe sollten ihr Bild korrigieren»

Wenn die Bischöfe im Herbst auf ihrem Weg der Erneuerung die Jugendvertreterinnen und Jugendvertreter treffen, sollten diese darauf bestehen, an einem ungewöhnlichen Ort zusammen zu kommen. Nichts gegen katholische Kraftorte wie Einsiedeln oder St. Maurice. Aber die sakrale Aura einer heilen katholischen Welt ist nicht das richtige Ambiente, um die Dringlichkeit von Kirchenreformen zu diskutieren. «Die Bischöfe sollten ihr Bild korrigieren, wonach wir in der besten aller möglichen Welten leben und alles in Ordnung ist», kritisiert zurecht RKZ-Vizepräsident Roland Loos.

Uscire – an die Ränder gehen

Zürcher Langstrasse statt Laudes, Reitschule in Bern statt Refugium, Peripherie statt Palast: Auch die Bischofskonferenz muss an die Ränder gehen. Uscire! Warum haben die Bischöfe sich in Einsiedeln nicht mit den Stiftsschülern unterhalten und gefragt, zu welchem Fazit sie in der Deutsch-Maturaprüfung kamen? Diese hatten unter anderem eine Erörterung zur «Ehe für alle» zur Auswahl. Die Bischöfe hätten vom katholischen Nachwuchs so einiges lernen können.

Aggiornamento – ein Auftrag an uns alle

Papst Franziskus hat mit seinem Schreiben an Kardinal Marx klargestellt, welchen Kurs er für das Kirchenschiff wünscht – und damit auch der Schweiz Ideen auf dem Silbertablett geliefert. Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, sagte, Marx’ Rücktrittsangebot habe ihn aufgerüttelt. «Tiefgreifende Veränderungsprozesse» seien notwendig. Vom Aufgerütteltsein war letzte Woche aber wenig zu spüren. Es liegt nun nicht nur an den Jugendvertretern, im Herbst die Bischöfe aufzurütteln und ein Aggiornamento einzufordern. Es ist ein Auftrag an alle. Durch die Kirche muss ein Ruck gehen!

 

Roland Loos: „Auch viele Menschen in der Romandie wünschen sich einen Neuanfang der Kirche“

Ist der synodale Weg etwas typisch Deutsches, an dem die lateinische Schweiz kein Interesse hat? Nein, sagt RKZ-Vizepräsident Roland Loos (60). Er engagiert sich für die Waadtländer Kirche – und träumt von mutigeren Bischöfen und einem „radikalen Wandel“.

Renata Asal-Steger vermisst bei den Bischöfen «überzeugende und attraktive Zukunftsvisionen»

Die Schweizer Bischöfe wollen den synodalen Prozess weiterhin in Eigenregie gestalten. Die Bischöfe Felix Gmür und Joseph Bonnemain kündigen an, bald eine diözesane Gruppe zu beauftragen. RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger bleibt skeptisch.

«Wir brauchen einander» Begegnung von SBK und RKZ am 8. Juni 2021 in Einsiedeln

Zum ersten Mal trafen sich am 8. Juni 2021 die ganze Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und eine zahlenmässig gleich grosse Delegation der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).