Joy-Gottesdienst in Wil: Darauf haben viele in der katholischen Kirche lange gewartet
Über ein Jahr lang hat die katholische Kirche in Wil im Kanton St. Gallen am Konzept für eine neue Gottesdienstform gearbeitet. «Joy», zu Deutsch Freude, heisst das neue Format. Am Freitagabend war Premiere im katholischen Pfarreizentrum. Rund 160 Personen haben mitgefeiert.
Mitgemacht hätten Menschen aller Altersgruppen, sagt Toni Ziegler, Co-Leiter der Gesamtpfarrei. Mehrheitlich seien die Teilnehmenden zwischen 18 und 40 Jahre alt gewesen. «Wir haben eine gute Altersdurchmischung erreicht.» Das Ziel sei nämlich nicht gewesen, einfach nur die junge Generation anzusprechen, sondern vielmehr alle Menschen, die eine neue Art von Gottesdienstfeier suchen – unabhängig von ihrem Alter.
Begrüssungsgetränk und Feuerschalen
Der Anstoss zum Projekt sei ursprünglich von Männern im Alter zwischen 40 und 50 Jahren gekommen. Dass ein kirchliches Angebot so stark von Männern mitgetragen würde, wie das nun bei Joy der Fall sei, sei in der Kirche eher die Ausnahme. «Von daher war das auch eine schöne neue Erfahrung», berichtet Ziegler gegenüber kath.ch. Im Vorbereitungsteam waren schliesslich Männer und Frauen gleichermassen beteiligt.
Der Gottesdienst dauerte eineinhalb Stunden, von 19 bis 20.30 Uhr. Zu Beginn gab es ein Begrüssungsgetränk und die Möglichkeit zum Austausch am Feuer. «Wir haben drei Feuerschalen vor dem Pfarreizentrum aufgestellt. Dort konnten die Menschen schon vor dem Gottesdienst miteinander ins Gespräch kommen», so Ziegler.
Worship-Songs und Pop-Konzert-Ambiente
Gesungen wurden nicht Lieder aus dem Katholischen Kirchengesangbuch, sondern Worship-Songs, Lobpreislieder in englischer und deutscher Sprache. Musikalische mitgestaltet wurde der Gottesdienst von einer Band bestehend aus Freiwilligen und Profis. Die Beleuchtung sei mit 80 Lampen an der Decke wie bei einem Pop-Konzert gewesen, sagt Ziegler.
Gleichwohl hatten Elemente der katholischen Tradition wie das Kreuzzeichen, der Segen, Gebete und Fürbitten ihren Platz in der Feier. «Das war uns auch sehr wichtig. Wir suchten nach einer Gottesdienstform, die auch in der katholischen Tradition steht. Es sollte nicht einfach eine Kopie eines freikirchlichen Anlasses sein», betont der Co-Leiter.
Bibel-Text vom Handy
Was es nicht gab: Eucharistie und Kommunion. Dies sei aber auch nie das Ziel gewesen, sagt Ziegler. Was indes nicht fehlte: ein Input aus der Bibel. Ziegler und Pfarrer Sebastian Wetter führten demnach auf der Bühne einen Dialog über die Hochzeit zu Kana aus dem Johannes-Evangelium. Den Bibel-Text las Wetter aus dem Handy vor. Der Priester trug für einmal kein liturgisches Gewand, wie Ziegler berichtet. «Alle Mitwirkenden – 30 Personen – waren schwarz angezogen.»
Nach dem Predigt-Gespräch zwischen Wetter und Ziegler wurden die Teilnehmenden eingeladen, sich mit dem Bibeltext auseinanderzusetzen. Dazu konnten sie eine von vier Stationen nach ihrer Wahl aufsuchen. An der ersten Station konnte man seine Gedanken auf ein Tuch malen, bei der zweiten Station sich auf eine Meditationsreise begeben. Bei der dritten Station wurde über den Text diskutiert und wer sich für die vierte Station entschied, konnte sich bei Tanz und Bewegung mit dem Text auseinandersetzen.
Dass die Teilnehmenden sich auf die Stationen einliessen, habe ihn positiv überrascht, sagt Zieger. «Das habe ich nicht erwartet. Im Gegenteil, ich befürchtete, dass die Hälfte der Leute im Saal sitzen bleibt oder nicht rechtzeitig nach den 20 Minuten in den Saal zurückkommt.»
Doch die Angst war unbegründet. Man habe zahlreiche positive Feedbacks zu den Stationen erhalten. «Die Menschen haben es geschätzt, dass sie eine Auswahl hatten und nicht alle immer das Gleiche machen müssen.»
Erfreut sind die Organisatoren über die grosse Beteiligung. Die Leute seien zudem lange geblieben – es gab eine Bar und auch für Verpflegung war gesorgt. Hätte man nicht um 22 Uhr Schluss machen müssen, wären sie wohl bis Mitternacht geblieben, vermutet der Co-Leiter. «Es war eine positive und freudige Stimmung. Viele Menschen sagten uns: Auf so etwas haben wir lange gewartet in der katholischen Kirche.» Insgesamt seien ihre Erwartungen bei weitem übertroffen worden, bilanziert Ziegler. (kath.ch)