Aktuelle Nummer 25 | 2024
01. Dezember 2024 bis 14. Dezember 2024

«Konklave»: Gier, Machthunger und Konkurrenz im Vatikan heute Abend im Kino

«Es ist ein Konklave, kein Krieg», mahnt Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes) seinen Freund und Kollegen Aldo Bellini (Stanley Tucci). Der widerspricht: «Es ist ein Krieg! Und Du musst dich entscheiden, wo Du stehst!» Womit Bellini zweifellos näher an der Realität der (fiktiven) Papst-Ernennung liegt, von der dieser Thriller erzählt.

Es ist ein Kampf zwischen (erz-)konservativen und progressiven kirchlichen Kräften, der hier entbrennt, eine Fehde um Macht und Einfluss, geführt mit oft fragwürdigen Mitteln: Der Vatikan als «Intrigantenstadl».

Wobei die Fronten keineswegs klar definiert sind. Allenfalls die Extreme lassen sich verorten: Hier Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto), der sich die traditionelle lateinische Messe zurückwünscht und die Kirche im Religionskrieg mit dem Islam wähnt.
Auf der anderen Seite Kardinal Benitez (Carlos Diehz) als sanfter Vorkämpfer einer «Kirche der Armen».

Schillernde, grandios gespielte Figuren

Lawrence, der das Konklave nach dem plötzlichen Tod des bisherigen Papstes leitet, gehört zur liberalen Fraktion. Zugunsten strategischer Absprachen aber wirft er seine Überzeugungen schon mal über den Haufen. Eine zerrissene und oft (ver-)zweifelnde Figur.

Ralph Fiennes spielt dies mit Feinnervigkeit, bestechender Präzision und gekonnt eingesetzter Zurückhaltung: Es gibt wenige Schauspieler, die mit einem angedeuteten Lächeln derart viele Facetten aufschimmern lassen können: Trauer, Mitleid, Reue, Selbstzweifel.

Die schillernden, grandios dargestellten Figuren sind ein grosses Pfund dieses hochkarätigen Kirchenthrillers nach dem gleichnamigen Roman von Robert Harris. Neben Fiennes, Tucci, Castellitto und Diehz glänzen vor allem John Lithgow als geltungssüchtiger Kardinal Tremblay und Lucian Msamati als Kardinal Adeyemi. Und auch Isabella Rossellini hat nachhaltige Auftritte als zwischen Gehorsam und Selbstbewusstsein changierende Schwester Agnes.

Frauen in der Männerbastion

Denn ohne Frauen geht es selbst in der Männerbastion katholische Kirche nicht. Wer sonst sollte für die über 100 Kardinäle kochen, die Tische decken und die Betten im Gästehaus Santa Marta beziehen? Oscar-Regisseur Edward Berger («Im Westen nichts Neues») setzt die die Hausarbeit verrichtenden Nonnen immer wieder kommentarlos in Szene und damit eines der vielen beim Machtkampf ums Papstamt mitschwingenden Themen.

Da geht es auch um die Rolle von Frauen, den interreligiösen Dialog, die Sexualmoral und die unzähligen Verfehlungen beim Missbrauchsskandal. Der Film befindet sich auf der Höhe des innerkirchlichen Diskurses, ohne trocken oder verkopft zu wirken. Im
Gegenteil: «Konklave» ist ein enorm spannender und unterhaltsamer Thriller, der seine Handlung geschickt mit aktuellen Debatten zu verknüpfen weiss und dabei gelegentlich sogar ziemlich witzig ist.

Die Lust an der Inszenierung

Geschickt balanciert die meisterhafte Inszenierung zwischen sich steigernder Beklemmung und Anspannung sowie gelegentlichen Momenten der Leichtigkeit. Dabei fängt der Film die nervöse Atmosphäre, aber auch die Pracht kirchlicher Schauwerte ein: das prunkvolle und zugleich klaustrophobische Innere der Sixtinischen Kapelle, in die sich die von der Aussenwelt isolierten Kardinäle zur Wahl zurückziehen; die breiten Marmortreppen, die langen Gänge, edlen Gewänder und die altmodisch ritualisierten Handlungen.

Viele Bilder prägen sich dem Gedächtnis ein. Etwa die Draufschau auf Dutzende Kardinäle, die unter weissen Regenschirmen einen Platz überqueren. Hier trifft sich die kirchliche Lust an Inszenierung mit der filmischen und kreiert Bilder für die Ewigkeit. Auch wenn nicht an Originalschauplätzen, sondern überwiegend in den Cinecittà-Studios bei Rom gedreht wurde.

Vielsagende Symbolik

Auch die dezente Symbolik des Films überzeugt: Der eingesperrte Vogel im Büro von Schwester Agnes. Das zerborstene Fenster, durch das ein frischer Wind in die Sixtinische Kapelle weht. Oder die eingestaubten Kirchenmänner mit ihren zerschrammten Gesichtern, die sich schliesslich auf einen Favoriten einigen – ganz im Sinne einer «zerbeulten Kirche», wie sie der aktuelle Papst Franziskus eingefordert hat.

Aber natürlich geht es in diesem Vatikan-Thriller nicht wirklich um Glaubens- und auch nicht um kirchenpolitische Fragen, sondern um Gier und Machthunger, Kleinlichkeit und Konkurrenz. Also um zutiefst menschliche Abgründe. Vor allem aber geht es darum, eine spannende, bildgewaltige Kinogeschichte zu erzählen. Das ist Berger zweifellos gelungen. (kna)

Der Film «Konklave» ist ab Donnerstag, 28. November 2024, in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.