Kooperation statt Anerkennung: Solothurn geht mit Religionsgemeinschaften neuen Weg

Der Kanton Solothurn will die privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften besserstellen und einbinden. Dafür hat er ein neuartiges Kooperationsmodell entwickelt. Eine öffentlich-rechtliche oder kantonale Anerkennung wäre politisch kaum zu erreichen, sagt der emeritierte Basler Rechtsprofessor Felix Hafner.

Angefangen hat alles mit der Idee, eine Charta der Religionen im Kanton Solothurn zu schaffen. Mit diesem Anliegen kam der Kanton vor einigen Jahren auf den nun emeritierten Rechtsprofessor Felix Hafner der Universität Basel zu, wie er kath.ch gegenüber erzählt.

«Dies wäre der Einführung einer kleinen kantonalen Anerkennung der Religionsgemeinschaften gleichgekommen», sagt Hafner. Gemeint sind hier die privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften, etwa islamische oder auch freikirchliche. Um die öffentlich-rechtlich anerkannten Landeskirchen – darunter die römisch-katholische Kirche – geht es hier für einmal nicht.

Der emeritierte Rechtsprofessor ist weiterhin im Netzwerk Recht und Religion der Universität Basel aktiv und hat die zuständigen Stellen des Kantons Solothurn beraten. Er hält fest: «Es gibt eine rechtliche Ungleichbehandlung der öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen und den anderen, die privatrechtlich organisiert sind. Diese Ungleichbehandlung ist teilweise erheblich.»

Finanziell teilweise nicht gleich behandelt

So erhielten öffentlich-rechtlich anerkannte Kirchen in gewissen Kantonen Gelder aus den allgemeinen Steuermitteln, und zwar für Dienste, die sie für die Gesellschaft leisten. «Aber es ist rechtlich problematisch, wenn andere, nicht öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften davon ausgeschlossen sind und somit nicht gleichbehandelt werden», stellt Hafner fest.

Dem möchte er entgegenwirken. Es brauche einen Ausgleich, sagt er. Die Lösung sieht er allerdings nicht primär in einer kantonalen, sogenannten «kleinen» Anerkennung von Religionsgemeinschaften, wie sie da und dort bereits existiert.

Nachteile der «kleinen» Anerkennung

Dies hat er am Beispiel des Kantons Basel-Stadt mitverfolgt, wo die Möglichkeit der kantonalen Anerkennung besteht. In Basel-Stadt erhielten einige privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften, darunter auch diejenige der Aleviten, die kantonale Anerkennung. «Diese Anerkennung vermittelt aber nicht die gleichen Rechte, welche die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften besitzen. Insbesondere können sie nicht, wie die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen von ihren Mitgliedern Steuern erheben», sagt Hafner.

Nach seiner Einschätzung sind staatliche Anerkennungen von Religionsgemeinschaften «im religionsrechtlichen System der Schweiz schwer zu implementieren». Dafür sind Änderungen der religionsrechtlichen Grundlagen in den Kantonen nötig, was in der Regel mit Referendumsabstimmungen verbunden ist. «Ich gehe nicht davon aus, dass die Mehrheit der Stimmbevölkerung in den Kantonen solchen Änderungen zustimmt», sagt Hafner. Die Kantone sind auch aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht dazu verpflichtet, Rechtsansprüche auf Anerkennung zu schaffen.

Empirische Studie zeigt Bedürfnisse auf

Felix Hafner sieht nur einen Weg, um mehr Gerechtigkeit unter den Religionsgemeinschaften herzustellen: konkrete, praktische Lösungen für anstehende Probleme und Anliegen von Religionsgemeinschaften.

Vor diesem Hintergrund hat der Jurist empfohlen, eine empirische Studie über die Religionsgemeinschaften in seinem Gebiet erstellen zu lassen. Der Kanton Solothurn hat daraufhin die Luzerner Religionswissenschaftler Martin Baumann und Andreas Tunger-Zanetti beauftragt, eine derartige Studie durchzuführen.  

Nach Vorliegen der Studie stellte sich heraus, was Hafner vermutet hatte. Nämlich «dass für die meisten Religionsgemeinschaften das Eingehen auf konkrete Bedürfnisse, und nicht die staatliche  Anerkennung im Vordergrund steht.»  

Spitalseelsorge, Begräbnisstätten, konfessioneller Religionsunterricht

Zu den in der Studie vorgebrachten Wünschen und Anliegen der privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften gehört etwa ihr Einbezug in die Spitalseelsorge, die Zurverfügungstellung von Begräbnisstätten sowie die Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Sakralgebäuden oder auch die Möglichkeit, an öffentlichen Schulen konfessionsgebundenen Religionsunterricht erteilen zu dürfen.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse hat der Kanton Solothurn inzwischen ein Kooperationsmodell «Staat und Religion» entwickelt. «Dieses stellt primär ein Programm dar, wie der Kanton konkret in den verschiedenen Problemzonen vorgehen soll», erklärt der Jurist. Erst würden die Bereiche eruiert, in denen Schwierigkeiten bestehen, dann die Zuständigkeiten geklärt und im Anschluss daran die politischen und rechtlichen Probleme herausgeschält, die es im Dialog mit den betroffenen Religionsgemeinschaften zu lösen gilt.

Dabei könne ihnen der Staat auch Leistungsaufträge erteilen, wenn sie einen Beitrag an die Gesellschaft leisten, ihnen aber auch Auflagen machen, falls sie die Grundlagen des Rechtsstaates nicht beachten. Das sei ein Geben und Nehmen.

Um all dies zu bündeln und das Kooperationsmodell praktisch umzusetzen, hat der Kanton eine Koordinationsstelle für Religionsfragen eingerichtet. «Der Kanton Solothurn nimmt hier eine Pionierrolle ein», sagt Felix Hafner. Er sei ein Vorbild. «Es wäre gut, wenn andere Kantone auch so vorgingen.»

Koordinationsstelle für Religionsfragen im Kanton Solothurn

Bericht zur Religionslandschaft im Kanton Solothurn