Nachwuchs für die Schweizergarde

Für die Schweizergarde wird es in nächster Zukunft schwieriger, Nachwuchs zu finden. Darauf macht sich Bernhard Messmer (56) gefasst. Der Glarner, einst selber Gardist, ist bei der päpstlichen Schutztruppe für die Rekrutierung zuständig. Kath.ch hat mit ihm über die Herausforderungen bei der Suche nach Personal gesprochen.

Barbara Ludwig (kath.ch)

Bernhard Messmer stellt eines sofort klar: "Aktuell hat die Garde keine Mühe, Nachwuchs zu finden. Seit 2012 hatten wir immer den Vollbestand der Truppe. Und so ist es auch heute." Der Inhaber der Messmer Personalmanagement GmbH ist seit 2012 für die Rekrutierung der Schweizergarde zuständig, "exklusiv", wie es auf der Webseite des Unternehmens heisst.

"Es kommen einige schwierigere Jahre auf uns zu."

Aber Messmer rechnet nicht damit, dass das so bleiben wird. "Ich sage ganz provokativ: Es kommen einige schwierige Jahre auf uns zu." Das Gespräch mit der Journalistin findet in einem modernen Sitzungszimmer im dritten Stockwerk eines grossen Gebäudes am Gemeindehausplatz in Glarus statt. Dort hat die Personalvermittlungsfirma ihren Sitz. Messmer hat ein Blatt mit einer Statistik auf den Tisch gelegt. Darauf ist die Kurve der Geburten männlicher Kinder von 1990 bis 2015 zu sehen, Quelle ist das Bundesamt für Statistik.

Die Demographie schlägt zu

"Seit 1995 und 2005 sind die Geburten massiv zurückgegangen", sagt Messmer und zeigt auf die Kurve, die 2005 einen Tiefpunkt markiert. Der 56-Jährige sieht den Geburtenrückgang in diesem Zeitraum offenbar als eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten, mit denen er in naher Zukunft bei der Rekrutierung konfrontiert sein wird. Problematisch wird es gemäss Statistik besonders ab 2020 bis 2025. Messmer fürchtet indes, dass es "jetzt schon kritisch wird".

Allerdings spielt auch die wirtschaftliche Entwicklung eine Rolle. "Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, ist es für uns tendenziell einfacher Kandidaten zu finden", sagt Messmer. Heute machten Arbeitgeber einem Lehrabgänger mit gutem Abschluss Angebote, mit denen die Garde nicht mithalten könne.

Für Generation Z ist das Militär unattraktiv

Der Rekrutierer ist sich bewusst, dass sich weitere Faktoren auf die Bereitschaft junger Männer, sich in der Garde zu engagieren, auswirken können. Da ist zum Beispiel die Armee. Der Abschluss der Rekrutenschule in der Schweizer Armee gehört zu den Voraussetzungen, die ein Kandidat mitbringen muss.

Auf eine Diskussion über das Image der Armee, das eventuell auch die Garde tangieren könnte, will sich Messmer jedoch nicht einlassen. Dafür spricht er von der sogenannten Generation Z. "Diese Generation hat andere Werte und Vorstellungen." Ihr sei etwa der Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit wichtig. "Da büssen militärische Organisationen und auch wir an Attraktivität ein." Auch bei der Schweizergarde gebe es Aufgaben, die nun mal nicht attraktiv seien, zum Beispiel der Wachdienst.

"Bei uns ist der Ton anders als in der Schweizer Armee."

Messmer hat noch nie erlebt, dass ein Interessent wegen negativer Erlebnisse in der Rekrutenschule vor einem Einsatz bei der Garde zurückschreckte. Es komme jedoch vor, dass Kandidaten nach dem Umgangston fragen. Dieser sei bei der Garde anders. "Auch wir sind eine militärische, hierarchisch aufgebaute Organisation, pflegen jedoch eine andere Kultur. Bei der Armee kommt es manchmal vor, dass jemand herumschreit."

Jeden Sonntag zur Messe

Gesucht sind jedoch nicht nur Schweizer mit einer Affinität zum Militär, sondern Männer, die aktiv am Kirchenleben teilnehmen. Kommt der Garde da nicht die Säkularisierung in die Quere? "Tendenziell geht die Zahl praktizierender Katholiken zurück. Das spüren wir sicher auch", sagt Messmer vorsichtig.  Man kommuniziere aber ganz klar, dass der Glaube ein wichtiges Thema in der Garde sei. "Wir leben unseren Glauben und gehen jeden Sonntag zur Messe. Da macht jeder mit. Da diskutieren wir nicht."

Die Garde ist kein Priesterseminar

Die Herausforderung bestehe darin, Kandidaten zu finden, die eine "vernünftige Mischung" darstellen. Nicht ideal seien die "Ausprägungen ganz an den Rändern". "Wir sind kein Priesterseminar. Unser Auftrag ist nicht die Verkündigung des Glaubens." Messmer gibt zu verstehen, dass man auch keine reinen Kampfsäue brauchen könne, "die aus jeder Position schiessen können, vom Rest aber keine Ahnung haben".

Wenn Messmer vom Nutzen eines Einsatzes in der Garde spricht, will er nicht primär die Vorteile für die berufliche Karriere in den Vordergrund stellen. Solche könne es zwar auch geben, etwa, wenn jemand nachher zur Polizei wolle. Messmer will einen anderen Trumpf ausspielen. "Die Schweizergarde ist eine der besten Lebensschulen, die es überhaupt gibt."

"Ich lerne, mich einzuordnen, unterzuordnen."

Der Personalfachmann glaubt, dass viele Junge zwar schon mit Mitte 20 dank guter Ausbildungen über sehr viel Fachkompetenz verfügten, aber in der persönlichen Entwicklung hinterher hinkten. Für sie biete ein Einsatz in der Garde die Möglichkeit, auch in diesem Bereich weiterzukommen.

"Die ganze Welt kommt nach Rom. Als Gardist kann ich an Ereignissen teilnehmen, wie es später nie mehr möglich sein wird", schwärmt Messmer, der von 1982 bis 1984 selbst in der Garde diente. Und: "Ich lerne, mich einzuordnen, unterzuordnen und ein Bekenntnis abzulegen, dass ich mich für diese Sache vorbehaltlos einsetze." Eine Erfahrung, die präge. Ehemalige seien in der Regel "loyale, zuverlässige und treue Mitarbeiter". Dies sei schliesslich der "berufliche Mehrwert" eines Ex-Gardisten.

Präsenz in der Öffentlichkeit ist wichtig

Wegen der erwähnten demografischen Entwicklung und der Konkurrenz durch eine florierende Wirtschaft müsse die Garde in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden, sagt Messmer. Bislang habe die Presse regelmässig berichtet, über die Vereidigung, an Ostern und Weihnachten. "Auch bei einem Konklave kommt die Garde sehr prominent im Fernsehen." Dann habe man jeweils spürbar mehr Anfragen nach den Informationsunterlagen. Zu einer solch positiven Wirkung hat laut Messmer auch das Video geführt, mit dem die Garde seit Januar Werbung macht und das Einblick in die Tätigkeit und das Leben als Gardist bietet.

Bei der Frage, mit welchen zusätzlichen Massnahmen er künftig gegen den drohenden Personalmangel angehen will, bleibt der Glarner zurückhaltend. Er habe Ideen, "bei denen ich noch nicht genau weiss, wie ich sie umsetzen soll". Aber man sei intensiv am Diskutieren.

Neuer Webauftritt

Immerhin verrät der Rekrutierungsverantwortliche, dass der Webauftritt der Garde voraussichtlich bis Mitte Jahr professionalisiert werden soll. Ziel ist demnach, dass die Seite mobileoptimiert ist und der Informationsaustausch weitgehend elektronisch abgewickelt werden kann. Kandidaten sollen die Bewerbungsunterlagen künftig elektronisch ausfüllen und einsenden können.

Zur Schweizergarde gibt es ein Dossier von kath.ch.