Sogar die Türkei interessiert sich für die Nikolaus-Reliquien in Freiburg

«Die Reliquie des Heiligen Nikolaus gehört uns», sagt der Freiburger Domherr Claude Ducarroz bestimmt. Er sitzt in einer Kirchenbank der Freiburger Kathedrale und erzählt über die verquickte Geschichte der zweisprachigen Kleinstadt und ihres Stadtheiligen. Unterdessen erhalten zwei Gruppen eine Führung durch die Kathedrale.

Der Heilige Nikolaus spielt eine wichtige Rolle in Freiburg – als Volksfest bis heute. «Kein Anlass bringt hier so viele Menschen auf die Strasse wie die Nikolausfeier», sagt der Domherr. Tausende versammelten sich am ersten Dezembersamstag jeweils, wenn der weiss gekleidete Heilige Nikolaus auf dem Esel durch die Strassen ziehe und den Kindern das Süssgebäck namens «Saint-Nicolas» zuwerfe. Seine schwarz gekleideten und geschminkten Begleiter drohten hingegen mit der Rute.

Weiss-schwarz-Debatte

Weiss für den guten Nikolaus, schwarz für die bösen Schmutzli-Männer, wie der Knecht Ruprecht in der Schweiz heisst? «Das wirkt etwas rassistisch», gibt der Domherr zu bedenken. Protest dagegen habe sich bisher nicht geregt. Darüber diskutiert worden sei aber schon..

Den Heiligen Nikolaus spielt jeweils ein Gymnasiast des St. Michaelskollegium. Das Kollegium habe die Tradition 1906 wieder aufleben lassen, nachdem diese vorher eingeschlafen war, weiss Ducarroz. Entstanden war die Sankt-Nikolaus-Prozession unter den Jesuiten. Diese hätten den Glauben mit Theatern und Umzügen verbreiten wollen – als Mittel der Gegenreformation. Die heutige Kantonsschule St. Michael wurde ursprünglich von den Jesuiten gegründet und geführt.

Die Gebeine des Stadtheiligen

Claude Ducarroz hat in seinen Jahren als Dompropst die Reliquie des Heiligen Nikolaus verteidigt. 2013 verlangte die Türkei, die Reliquie an ihren Ursprungsort zurückzugeben. «Ich habe sofort Nein gesagt», erzählt Ducarroz. Die Gebeine des Freiburger Stadtheiligen für eine touristische Attraktion herzugeben, kam für ihn nicht infrage. «Die Türkei plante ein Museum über den Heiligen Nikolaus.»

Der Heilige Nikolaus lebte im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus im antiken Myra, auf dem Gebiet der heute türkischen Stadt Demre. «Er war 325 am ökumenischen Konzil von Nicäa beteiligt», sagt Ducarroz. Das sei die einzige einigermassen gesicherte Information über den damaligen Bischof. «Alles andere sind Legenden.»

Kinderfreund und Ehestifter

Und diese erzählen von dessen Wohltätigkeit und Wunderwirken. Zwei davon sind in der Kathedrale dargestellt. Im mit Gittern abgesperrten Chorgestühl zeigt eine Holzschnitzerei Bischof Nikolaus und drei Kinder. Der Legende nach waren die Kinder von einem Metzger getötet worden. Nikolaus habe sie wieder zum Leben erweckt. «Deshalb gilt der Heilige Nikolaus als Freund der Kinder», sagt Ducarroz.

Über einem Seitenportal draussen sind unter dem Heiligen Nikolaus auch drei Frauen in den Stein gehauen. Das seien die drei Frauen, die der Heilige Nikolaus von der Prostitution befreit hat, erzählt der Domherr. «Jede Frau hat ein Goldstück in der Hand.» Ein Geschenk von Nikolaus, damit sie – dank Mitgift – von der Prostitution freikamen und heiraten konnten. «Deshalb gilt der Heilige Nikolaus auch als Ehestifter», schreibt Deutschlandfunk.de..

Kaufleute aus Bari auf Raubzug

Vor allem aber wurde Nikolaus als Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute verehrt, heisst es dort weiter. Deshalb wohl hätten sich die Händler der italienischen Hafenstadt Bari 1087 aufgemacht, um die Reliquien aus Myra zu holen – sprich zu rauben. «Heute noch befinden sich die Hauptreliquien des Sankt Nikolaus in der Dominikanerkirche in Bari», sagt Claude Ducarroz. «Von dort wurden sie verteilt.»

Ein Reliquienteil landete schliesslich in Freiburg. Die Stadt stand seit ihrer Gründung 1157 unter dem Schutz des Heiligen Nikolaus. «Die Zähringer, die 1157 die Stadt Freiburg gründeten, brachten dem heiligen Bischof von Myra eine besondere Verehrung entgegen. Sie stellten die Pfarrkirche unter sein Patronat», schreibt die Universität Freiburg in einer Mitteilung.

Pilger-Souvenir

Der emeritierte Dompropst erklärt das etwas anders: «Die Nikolaus-Verehrung war in der Region stark verbreitet.» Das habe mit den Chorherren des Grossen St. Bernhard zu tun, die grosse Nikolaus-Verehrer gewesen seien. Die Gemeinschaft sei für viele Freiburger Pfarreien zuständig gewesen.

Freiburg erreicht die Reliquie erst einige Jahrhunderte nach der Stadtgründung. «Ein Abt des Klosters Hauterive pilgerte 1405 nach Italien und brachte eine Nikolaus-Reliquie mit», erzählt Ducarroz. Die Relique befand sich nun im Kloster unweit von Freiburg.

Die Stadt habe daraufhin den Papst gedrängt, sie brauche eine Nikolaus-Reliquie für die Verehrung ihres Schutzpatrons. «Da hat der damalige Papst Julius II. das Kloster gezwungen, die Nikolaus-Reliquie an die Stadt abzutreten», so Ducarroz. 1506 war die Überführung. Und 1514 war das Reliquiar fertiggestellt, in dem die Reliquie seither ruht. In dieser Zeit – 1512 – gründete der Papst auch die Chorherrengemeinschaft, deren Sitz direkt neben der Kathedrale liegt. (kath.ch)

Die Hand-Reliquiare

Die Reliquie des Heiligen Nikolaus befindet sich in der Heilig-Grab-Kapelle in der Kathedrale, rechts des Haupteingangs. Und zwar in einem Reliquiar in einer Wandnische – beschützt durch ein dickes Metallgitter. Zwei weitere Wandnischen nebenan enthalten je ein weiteres Reliquiar. Alle Reliquiare haben die Form einer Hand.

Die Hand des Heiligen Nikolaus mache eine Segensgeste, ist auf dem Schild daneben erklärt. Die Hand rechts davon ist am Schreiben – sie «gehört» dem Heiligen Petrus Canisius. Er gilt als Begründer des Jesuitenkollegs St. Michael. Die Hand ganz rechts ist am Beten. Sie enthält Reliquien des Heiligen Niklaus von Flüe. Der Nationalheilige wird in Freiburg besonders verehrt, weil er eine wichtige Rolle beim Beitritt Freiburgs zur Eidgenossenschaft 1481 gespielt haben soll.

Heiliger Nikolaus da und dort

Die beiden Heiligen Nikolause zieren ein hölzernes Seitenportal. Links der prunkvoll gekleidete Bischof mit goldenem Stab, rechts der einfach und weiss gewandete Einsiedler. Das weisse Kleid sei ein Geschenk der Stadt gewesen, weiss Ducarroz. Deshalb sei der Friedensstifter hier nicht in der üblichen braunen Kutte dargestellt.

Der Heilige Nikolaus versteckt sich da und dort in der Freiburger Kathedrale. Am prominentesten über dem Hauptportal – wenn auch eher als kleine Figur. Als Relief findet er sich im Taufstein wieder, als Glasmalerei in einem hohen Chorfenster.

Nach dem Gespräch zieht sich der emeritierte Dompropst Claude Ducarroz ins Chorherrenhaus zurück. Davor zeigt er auf das steinerne Chorherren-Wappen über dem Eingang. Es enthält das Hand-Reliquiar des Heiligen Nikolaus.

Am Samstag, den 3. Dezember, findet die nächste Sankt-Nikolaus-Prozession statt. Sie führt ab 17 Uhr vom St. Michaelskollegium durch die Innenstadt zur Kathedrale.