Sonntagsinterview mit Bischof Felix

Die Missbrauchstäter in der Schweiz leben "praktisch alle nicht zölibatär", sagt Felix Gmür im Interview mit der "Sonntagszeitung". Deshalb haben aus Sicht des Bischofs von Basel Menschen, die zölibatär leben, kein grösseres Risiko, übergriffig zu werden.

Auf diese Weise beantwortet der Bischof die Frage der Zeitung, ob Priester, die mit sexueller Abstinenz nicht umgehen können, eher zu Übergriffen neigen. Er stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf die Missbrauchsstatistik in der Schweiz.

Auseinandersetzung mit sich selbst

Bei zölibatär lebenden Menschen bestehe "höchstens die Gefahr, dass sie sich nicht wirklich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen, weil sie nicht von einem Partner oder einer Partnerin herausgefordert werden", so der Bischof.

Beim Umgang mit der eigenen Sexualität gilt für Felix Gmür: "Man muss sich gut kennen und wissen, wodurch man sich angezogen fühlt." Dazu gehöre auch, "dass man weiss, wie man mit diesen Bedürfnissen umgehen muss, wenn man sie nicht befriedigen kann." Das Bewusstsein dafür werde bei Menschen im kirchlichen Dienst in obligatorischen Kursen und Supervisionen geschärft.

Kunst oder Sport statt Sexualität

Ein Leben ohne Sexualität ist laut dem Basler Bischof "wunderbar möglich". Er erklärt in der Zeitung, wie das gehen kann: "Man kann sexuelle Gefühle in eine andere Richtung lenken." Die einen seien künstlerisch tätig, andere würden viel lesen, Sport treiben oder meditieren.

Im Übrigen findet er allerdings: Der Zölibat müsse "aus menschlichen und theologischen Gründen" diskutiert werden. Die Frage nur in Einzelfällen zu überdenken, so wie das Papst Franziskus signalisiere, genügt laut Gmür nicht.

Bei der Bekämpfung von Missbrauch nimmt der Basler Bischof den Papst beim Wort, der den lokalen Kirchen mehr Kompetenzen geben will. "Wir nehmen unsere Verantwortung wahr", wird er in der "Sonntagszeitung" zitiert. "Wir machen, was wir können. Und was wir müssen."

Sexuelle Ausrichtung ohne Einfluss

Auch andere gesellschaftliche Gruppen haben laut Felix Gmür kein höheres Risiko, einen Übergriff zu begehen: "Ob einer heterosexuell oder homosexuell oder bisexuell oder was auch immer ist, hat keinen Einfluss auf die Anfälligkeit für einen Übergriff." (rp)