Aktuelle Nummer 24 | 2025
16. November 2025 bis 29. November 2025

Welche katholische Publizistik wollen wir?

«Am Anfang war das Wort» – So begann Weihbischof Josef Stübi sein Schlusswort. Er stand als letzter Redner auf der Bühne, auf der vor ihm auch schon Vertreter der katholischen Publizistik und von katholischen Hilfswerken dargelegt hatten, wie ein qualitativ hochstehender Journalismus dazu beitragen könnte, gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden. Zu den Vorrednern gehörte Bernd Nilles, Direktor Fastenaktion und die Leiterin der Dienststelle Ethik und Gesellschaft, Florence Quinche.

Füreinander und Miteinander

«Am Anfang war das Wort», so Stübi. Und dieses Wort könne nicht nur als religiöse Botschaft, sondern auch als journalistischer Inhalt «gesellschaftsgestaltende» Wirkung entfalten und im besten Fall «ein verbindlich solidarisches Füreinander und damit auch auf ein gelingendes Miteinander» bewirken.

In einer Zeit rascher gesellschaftlicher Veränderungen müsse sich auch die Kirche immer wieder neu medial in Szene setzen. Es gehe darum, «eine Dienstleistung zum Wohl der Gemeinschaft in ihrer Vielfalt zu erbringen».

Viele Erwartungen

Wenn der Weihbischof die mediale Öffentlichkeit als «Geflecht und Gewebe» beschrieb, das sich immer wieder neu finden müsse, griff er eine Formulierung auf, die die Hauptrednerin des Abends, Susanne Wille, benutzt hatte. Es wurde auf der Einladungskarte nicht klar, welche Susanne Wille denn nun eingeladen worden war: Die profilierte Kultur- und Politikjournalistin, die krisenerprobte Medienunternehmerin oder die diplomatisch agierende Medienpolitikerin? Wie auch immer: Die Hauptreferentin wurde vielen Erwartungen gerecht.

Im aargauischen Villmergen aufgewachsen, begann sie ihren Vortrag mit persönlichen Reminiszenzen. Villmergen ist bekannt nicht nur wegen der katholischen Pfarrkirche St. Peter und St. Paul oder wegen der Bally-Schuhfabrik. Nein, dieses Dorf im Bünztal ist historisch bedeutsam als Schauplatz, an dem in den sogenannten Villmerger Religionskriegen im 17. und frühen 18. Jahrhundert entscheidende Schlachten geschlagen wurden.

Einheit in der Vielfalt

Es gab damals im Gefolge der Reformation in Westeuropa viele Religionskriege, und der moderne Rechtsstaat, der die Trennung von Staat und Religion vorsieht, ist eine Antwort auf diese schlimmen Erfahrungen. Er lässt sich als ein Friedensprojekt interpretieren. So haben die Menschen nicht nur in Villmergen, sondern in der ganzen Schweiz und in Westeuropa auf die harte Tour gelernt, mit Gegensätzen und Differenzen umzugehen.

Seit sie Leitung der SRG übernommen habe, so berichtete Susanne Wille am Dienstagabend in Bern, komme sie viel in der Schweiz herum. «Ich habe Einblick in die unterschiedlichsten Milieus, in die unterschiedlichsten Regionen.» Die Vielfalt, die sie dabei erlebt, findet sie «faszinierend».

«Wir haben verschiedene Sprachen, unterschiedliche Traditionen, unterschiedliche Geschichten, Mentalitäten und wir haben doch ein gemeinsames Staatswesen.» Das sei «eine bemerkenswerte historische Leistung».

Der Zauber der Demokratie

Vor dem historischen Wandgemälde, das die Kulturjournalistin Wille aufgespannt hatte, konnte nun die Medienpolitikerin Wille ihre Aussagen placieren: Dass die Schweiz heute «so stabil und wohlgeordnet» funktioniere, dass in diesem vielgestaltigen Land der «Wille zur Gemeinschaft» immer wieder obsiegte, sei eigentlich ein «Wunder». Damit das, was eigentlich ein Wunder ist, zur Normalität werden kann, mit der Tag für Tag fest zu rechnen ist, brauche es ein funktionierendes Mediensystem, das die Bürgerinnen und Bürger mit qualitativ hochstehenden journalistischen Beiträgen in die Lage versetzt, sich in die politischen Debatten einzubringen.

Anders als in anderen Ländern spielen sich diese Debatten nicht zwischen feststehenden Polen ab, sondern sie werden von wechselnden Koalitionen vorangebracht. Darin zeige sich, so Wille, «der Zauber der Demokratie»: «Wer heute der politische Gegner ist, kann schon morgen ein Verbündeter sein.»

«Und so entsteht ein Geflecht und ein Gewebe, das voller Gegensätze ist und das gerade durch diese Gegensätze gestärkt wird. Es bringt uns immer wieder dazu, miteinander zu reden, Kompromisse zu suchen, Lösungen zu finden, zu verstehen, warum andere anders denken.» Diese «Geflecht und Gewebe» müsse immer wieder neu geknüpft werden. Nicht trotz der Gegensätze, sondern gerade wegen der Gegensätze sei die Schweiz so stabil.

Eine Klammer, die verbindet

«Die Schweiz gibt es, weil wir alle sie in ihrer Verschiedenheit zusammenhalten wollen. Und unser Zusammenhalt ist Ergebnis eines ständigen Gespräches. Manchmal ist das laut, manchmal ist das leise, ja, manchmal ist es auch sehr mühsam, aber es ist immer notwendig.»

«Und damit dieses Gespräch gelingt, damit unsere Gemeinschaft aus vier Sprachen, unzähligen Dialekten, aus Stadt, Land, Zentrum, Brandregion, Mehrheiten, Minderheiten gelingt, braucht es gemeinsame Orte, an denen diese Stimmen zusammenfinden. Es braucht gemeinsame Räume, in denen nicht nur die Lautesten gehört werden, sondern auch die Leisen. Und wir, die Kirchen, wie auch die öffentlich-rechtlichen Medien, wir schaffen solche Räume. Wir verbinden, was sonst leicht auseinanderdriften könnte.»

Schatten der Parteipolitik

Mit diesem Hinweis auf die «Lauten und Leisen» könnte die Medienpolitikerin Wille möglicherweise auf die «Halbierungsinitiative» angespielt haben, mit der polternde Rechtspolitiker die SRG zurechtstutzen möchten. Wo die Medienpolitikerin Wille sich in Zurückhaltung übte, nannte die Medienunternehmerin die Dinge beim Namen: «Die Halbierungsinitiative bedroht den Service public in seinem Kern. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.»

Man muss nicht Betriebswirtschafter sein, um ihr folgen zu können: Wenn die Hälfte der Einnahmen wegbricht, kann man das nicht mit Synergieeffekten im Backoffice auffangen. Dann muss beim Journalismus gespart werden, und auch wenn weder die Medienpolitikerin noch die Medienunternehmerin hier ins Detail ging, wurde klar, dass darunter der Qualitätsjournalismus sowie die Berichterstattung über schwierige Themen und über Minderheiten zu leiden hätte.

Es gibt wohl niemanden in der Schweiz, der sich über die Programme der SRG nicht auch schon geärgert hätte. Doch trotz dieses Ärgers sollte man sich der Einsicht nicht verschliessen, dass das Geld, das die «Halbierungsinitiative» der SRG wegnehmen will, dem Schweizer Journalismus insgesamt fehlen würde. Es geht hier nicht um eine Umverteilung; das Schweizer mediale Ökosystem insgesamt würde geschwächt.

Knapp bemessene Redezeit

Als wäre sie zusammengestellt worden, um die von Susanne Wille beschworene Vielgestaltigkeit der Schweiz zu illustrieren, vereinigte die Diskussionsrunde sehr verschiedene Menschen: Drei Frauen, zwei Männer, ein Protestant als Diskussionsleiter, Katholiken und Katholikinnen aus allen Gegenden der Schweiz. Vielleicht war es dieser Vielgestaltigkeit zuzuschreiben, vielleicht aber auch der knapp bemessenen Redezeit, dass die katholischen Medienschaffenden Mühe hatten, ihre Arbeit kritisch und über den Tag hinaus zu reflektieren.

Als Vertreter von Cath-Info in Lausanne war Fabien Hünenberger nach Bern gereist. Cristina Vonzun sprach für das Katholische Medienzentrums der italienischen Schweiz in Lugano. Nadia Omar beteiligte sich an der Diskussion als Direktorin des Katholischen Medienzentrums in Zürich.

Cristina Vonzun (catt.ch Lugano), Nadia Omar (kath.ch Zürich), Stephan Jütte, (Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz), Susanne Wille (Generaldirektorin SRG), Fabien Hünenberger (cath.ch Lausanne) (v.l.n.r.)

Vielfalt ohne Einheit

Einmal, als diese Medienschaffenden sich wiederum nicht sofort einigen konnten, wer das Mikrofon ergreifen und zuerst die Frage des Diskussionsleiters beantworten solle, musste Susanne Wille lachen. Auf die Rückfrage des Diskussionsleiters erklärte sie, dass diese Koordinationsprobleme sie an das eigene Unternehmen erinnerten, wo es manchmal auch so sei, dass die eine Hand nicht wisse, was die andere tue.

Damit griff sie Redeweisen auf, mit denen zuvor in einem fulminanten Referat der ehemalige SRG-Journalist Mariano Tschuor die katholische Publizistik in der Schweiz charakterisiert hatte. Er attestierte dieser Publizistik ein «Kommunikationswirrwarr»: «Viele Stimmen, zu wenig Profil.» Oder ausführlicher: «Die katholische Kirche in der Schweiz spricht mit vielen, nach meinem Dafürhalten mit zu vielen Stimmen.» Doch die Kirche verliere an «Relevanz und Resonanz», wenn sie sich selbst nicht koordinieren könne. «Meine These dazu: Einheit in der Kommunikation ist eine Überlebensstrategie. Einheit schafft Verlass, Verlässlichkeit, Vielfalt braucht Struktur.» (kath.ch)