Zum 1. Fastensonntag: Wenn alles durcheinander gerät …

«Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.» So fröhlich-frech singt Pippi Langstrumpf. Ihre Lust an einem eigenständigen, unabhängigen Leben wirkt motivierend. Vielleicht haben auch Sie, liebe Hörerinnen, liebe Hörer, sich einst davon anstecken lassen.

«Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt …». Dieser Satz ist mir in den letzten Wochen immer mal wieder in den Sinn gekommen. Aber er bleibt mir jetzt gewissermassen schon beim Drandenken im Hals stecken. Denn wir erleben gerade, wie es ist, wenn sich wenige Superreiche und Mächtige die Welt tatsächlich so machen, wie es ihnen gefällt. Wenn sie die Welt unter sich aufteilen, wie es ihnen passt. Wenn sie keinen Gedanken daran verschwenden, was ihr Handeln anrichtet.

Es ist ihnen völlig egal, wie ihr Reden und ihre Worte das Zusammenleben vergiften und Vertrauen zunichtemachen. Sie machen sich die Welt, wie es ihnen gefällt. Und alles gerät durcheinander.

Die Versuchung der Resignation

Viele Menschen in meinem Umfeld sind fassungslos. Und auch ich fühle mich mitunter überfordert von all dem, das da gerade durcheinandergerät. Die Versuchung kriecht in mir hoch, zu resignieren, mich zurückzuziehen – ich kann ja doch nichts machen. Etwas dagegen machen können! Diese Ohnmacht nicht aushalten müssen. Die Probleme in den Griff bekommen! Selbst etwas machen … verlockende Gedanken … Oder meldet sich da insgeheim und verdeckt doch der Wunsch: Ich mache mir die Welt …? So eindeutig ist das gar nicht. Stimmt denn, was ich bisher gedacht habe? Oder ist es doch anders? Auch in mir selbst gerät manchmal einiges durcheinander.

Jesus in der Wüste

Über dieses innere Ringen erzählt das Neue Testament der Bibel im Lukasevangelium eine – wie ich finde – verblüffend aktuell klingende Geschichte: Nach seiner Taufe im Jordan zieht sich Jesus zurück, in die Wüste, ganz allein, vierzig Tage lang, er fastet. Verständlich, dass er am Ende der vierzig Tage Hunger hat. Was mag ihm durch den Kopf gehen? Was liegt ihm auf dem Herzen? So eindeutig ist das vermutlich nicht …

Dreimalige Versuchung

Da tritt der Teufel auf und führt ihn in Versuchung. Dreimal: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. Jesus antwortet ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Dann zeigt ihm der Teufel alle Reiche des Erdkreises: All die Macht und die Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; alles gehört dir, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Doch Jesus antwortet ihm: Es steht geschrieben: Vor … deinem Gott sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.

Am Schluss führt ihn der Teufel nach Jerusalem, oben auf den Tempel: Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; dann wird Gott schon dafür sorgen, dass seine Engel dich auffangen und dir nichts passiert. Auch jetzt antwortet ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst deinen Gott nicht auf die Probe stellen. Da lässt ihn der Teufel in Ruhe, und Jesus geht nach Galiläa zurück.

Das innere Ringen

Ich höre diese Geschichte als Versuch, Jesus durcheinanderzubringen. Du bist Gottes Sohn? Dann mach doch endlich etwas. Setz dich durch. Vielleicht, so stelle ich mir vor, war es auch für Jesus nicht von allem Anfang an ganz klar und eindeutig, wie sein Weg sein sollte. Vielleicht war es auch für ihn verlockend, etwas machen und gestalten zu können? Etwas in der Hand zu haben gegen Ohnmacht und Resignation?

Lukas veranschaulicht dieses innere Ringen mit der Figur des Diabolos. Meist wird dieses griechische Wort mit Teufel übersetzt. Doch der Diabolos hat nichts zu tun mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuss. Wörtlich übersetzt heisst Diabolos: der Durcheinanderbringer.

Das Verwirrspiel

Diabolos betreibt ein grosses Verwirrspiel. Er sät Zweifel. «Wenn du Gottes Sohn bist …». Jesus wird unsicher: «Ja, stimmt es denn, oder täusche ich mich? Steht Gott zu mir und zu seinem Wort? Bin ich wirklich …?»

«Wenn du der Sohn Gottes bist …». Doch Jesus geht auf dieses Verwirrspiel nicht ein. Auf jede Versuchung antwortet er mit einem Zitat aus der hebräischen Bibel. Jesus erinnert sich also daran, was ihm mitgegeben wurde, was seinem Volk und seiner Glaubensgemeinschaft in vielen Krisen Orientierung und Hoffnung gegeben hatte: der Glaube an den befreienden Gott. Diese Erinnerung lässt Jesus wieder klarsehen, als in ihm selbst einiges durcheinander zu geraten droht. Die Erinnerung hilft ihm, eindeutig zu werden. Und gradlinig. In dem Moment verschwindet Diabolos. Der gewiefte Durcheinanderbringer kann nichts ausrichten, weil Jesus an seiner Gottesbeziehung festhält.

Was Gott gefällt für Mensch und Welt

Selbst Jesus macht sich nicht die Welt, wie sie ihm gefällt. Jesus richtet sich aus an dem, was Gott gefällt für diese Welt und für die Menschen. Der Gott, in dem Jesus sein Vertrauen festmacht, ist der Gott des jüdischen Volkes. Der Gott Jesu bietet Menschen Beziehung an. Der Gott der jüdisch-christlichen Tradition lässt sich berühren von den Menschen und von ihren Geschichten, von ihrem inneren Ringen und von ihrer tiefen Sehnsucht. Denn Gott kann nicht ohne die Menschen sein und ohne sie nichts ausrichten.

Inspiration für eigenes Durcheinander

Diese Geschichte, liebe Hörer und Hörerinnen, markiert den Anfang der christlichen Fastenzeit, der Vorbereitungszeit auf Ostern. Kaum jemand von uns wird sich in den kommenden vierzig Tagen in eine reale Wüste zurückziehen. Aber vielleicht kann uns diese Episode aus dem Leben Jesu inspirieren, wenn um uns herum und in uns selbst einiges durcheinandergerät.

Gott bietet Beziehung an

Dann können wir uns daran erinnern, dass Gott Beziehung anbietet, auch uns. Wenn wir einschwingen in diese Beziehung, werden auch wir wieder klarer sehen, eindeutig werden und gradlinig. Wenn wir festhalten an unserer Gottesbeziehung, können wir hoffnungsvoll bleiben, trotz all der diabolischen Verwirrungen unserer Tage. Dann können wir auch etwas tun. Nicht vordergründig. Nicht um den wirklichen Fragen und den eigentlichen Problemen auszuweichen. Sondern um uns entschieden dafür zu engagieren, dass das Leben besser wird. Für alle. Im Vertrauen auf Gott, diese Quelle, die mit uns in Beziehung bleibt.

Dieses Vertrauen erbitte ich von Gott – für Sie, liebe Hörerin, lieber Hörer, für mich, für die Menschen, mit denen wir zusammenleben, und für alle, deren Leben gerade ziemlich durcheinandergerät.

Haben Sie einen guten Sonntag und eine gesegnete Fastenzeit.

*Barbara Kückelmann ist römische-katholische Theologin.

Bibelstelle: Lk 4,1–13

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