"Es ist höchste Zeit für ein Konzil"

Im Ringen um den künftigen Kurs der katholischen Kirche hat sich erstmals eine wichtige Stimme der katholischen Publizistik für die Einberufung eines neuen Konzils durch den Papst ausgesprochen. Franziskus müsse rasch eine weltweite Versammlung aller Bischöfe einberufen, heisst es in einem Leitartikel der Zeitschrift «Christ in der Gegenwart».

«Es ist höchste Zeit für ein Konzil, bei dem die Bischöfe kollegial mit und unter dem Papst oder der Papst allein als oberster Gesetzgeber entscheiden», schreibt Chefredakteur Johannes Röser in der aktuellen Ausgabe. «Christ in der Gegenwart» ist mit einer Auflage von rund 30'000 Exemplaren eine der in Deutschland einflussreichsten katholischen Wochenzeitschriften und wird von zahlreichen kirchlichen Entscheidungsträgern gelesen.

Ein Konzil als Weltversammlung aller katholischen Bischöfe könne nur der Papst einberufen. Konzilien finden sehr selten statt, in den vergangenen 500 Jahren gab es drei solche Versammlungen. Zuletzt kamen die Bischöfe von 1962 bis 1965 zum Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom zusammen. Damals begann die Öffnung der katholischen Kirche zur modernen Welt und ihrem weltanschaulichen Pluralismus.

«Unendliche Frustrationen»

Nur mit einem neuen Konzil könne «Klarheit» erreicht werden, so die Zeitschrift weiter. Das derzeitige «vage Hin und Her mit unendlichen Frustrationen» müsse enden. «Papst Franziskus soll Farbe bekennen. Rührende mitmenschliche Gesten und volkstümliche Nähe reichen nicht mehr», so Röser. Der Papst sei gefordert, drängende Zukunftsfragen für die katholische Kirche nicht
länger «im Unverfänglichen» zu belassen.

Dogmatische Vorstellungsmodelle prüfen

Neben den aktuellen Streitthemen wie Zölibat, Position von Frauen in der Kirche, Sexualmoral oder Machtverteilung müssten bei einem Konzil aber auch echte «Glaubens-Kernprobleme» angegangen werden, fordert der Kommentar: «Was könnte das Christsein neu inspirieren, begünstigen in einer Welt mit Erfahrungshorizonten, die mit sehr vielen dogmatischen Vorstellungsmodellen nicht mehr in Einklang zu bringen sind, erst recht nicht, wenn man auf die (natur-)wissenschaftlichen Revolutionen schaut.» Ein Konzil müsse sich der Aufgabe stellen, wie der Glaube an Gott in einem «Zeitalter mächtigster Entzauberungen» und radikaler Säkularisierung neue Plausibilität gewinnen könne. (kna)