Fredy Bihler: «Es reizt mich, an diesem Schlüsselmoment der Kirche mitzuwirken»

Was reizt Sie an der Aufgabe als Geschäftsführer der Synodalitätskommission?

Fredy Bihler*: Die Kirche durchlebt aktuell einen ihrer Schlüsselmomente seit den 1970er-Jahren. Da mitzuwirken, reizt mich.

Was meinen Sie mit Schlüsselmoment?

Bihler: Die Bischofssynode in Rom hat den Kirchen weltweit den Auftrag gegeben, synodaler zu werden. Kirche müsse von den Rändern her neu gedacht werden, sie müsse umkehren, und zwar weltweit. Wir als Kirche in der Schweiz sind Teil davon. Unser duales System enthält bereits viel von dem, was die Synode will. Zugleich geht Synodalität über das hinaus, was das duale System derzeit leistet. Wir haben also ein gutes Entwicklungsfeld, um synodale Prozesse zu erproben, die auch für andere Kirchen wichtig sein können.

Was haben wir denn mit dem dualen System?

Bihler: Wenn es darum geht, neue Entscheidungsstrukturen, neue Entscheidungswege zu finden, haben wir bereits etwas umgesetzt mit dem dualen System. Bei uns geschieht die Verteilung der finanziellen Mittel anders als andernorts. Staatskirchenrechtliche Organisationen verwalten die Kirchensteuer und spielen das Geld der Pastoral zu. Daran beteiligt sind Getaufte und sogenannte Laien. Doch das bisherige System kommt an Grenzen. Um den grossen Herausforderungen der Transformation der Kirche zu begegnen, braucht es auf beiden Seiten des dualen Systems Anpassungen. Da kann die Synodalität uns heute helfen, neue Wege zu gehen. Das kann auch für die Weltkirche spannend sein.

Was hat Sie motiviert, in den synodalen Prozess einzusteigen?

Bihler: Mein Interesse wurde an einer Tagung in Rom vor rund eineinhalb Jahren geweckt. Es trafen sich «professional lay ministers» von vier Kontinenten. Die Tagung am Rand der synodalen Versammlung 2023 war bereichernd und spannend, ich merkte: Auch wenn unsere kirchlichen Berufe und Aufgaben unterschiedlich sind, bei den Grundfragen von Kirche und Kirchenstrukturen sind wir uns sehr nahe. Etwa bei den Themen Bildung, Frauen, Transparenz und Rechenschaft, Mitverantwortung und Beteiligung an Entscheidungsprozessen sowie Gestaltung der Kirche vor Ort. Das ermutigte mich, am synodalen Prozess mitzuarbeiten.

Haben Sie Erfahrung mit synodalen Prozessen – wenn ja, welche?

Bihler: Unter synodalen Prozessen verstehe ich Beteiligungsprozesse. Solche Prozesse habe ich als Projektleiter in der Pastoral gemacht. Ich sorgte dafür, dass die Mitarbeitenden mitbestimmen, sich einbringen und Entscheidungen mitgestalten konnten. Auch bei meiner Arbeit bei der Caritas hatten wir solche Mitbestimmungsmöglichkeiten. Dieses Anliegen der Mitbestimmung kommt auch im Abschlussdokument der Synode stark zum Ausdruck.

Was haben Sie aus Ihren Erfahrungen gelernt?

Bihler: Ich habe festgestellt: Es braucht zwar eine Zielvorgabe, aber danach soll man auf Basis der Kompetenzen der Beteiligten etwas Gemeinsames entwickeln und in einen Prozess einsteigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das funktioniert.

Die Kommission muss synodale Entscheidungsprozesse auf gesamtschweizerischer Ebene entwickeln und erproben. Dabei gilt es, diözesane und weltkirchliche Impulse zu berücksichtigen. Wie einfach oder wie schwierig ist das?

Bihler: Ich finde, das ist sehr anspruchsvoll. Wir sind herausgefordert, sofort und schnell etwas anzupacken. Und gleichzeitig suchen wir nach einer geistlichen Erneuerung, also einem eher langsamen Bewusstseinswandel. Da gibt es eine grosse Spannung, die wir aushalten müssen, weil beide Aspekte, Spiritualität und Struktur, zusammengehören. Als Kommission sind wir eine Art Werkstatt, die hier Lösungen finden muss.  Wir werden in unseren Sitzungen damit umgehen müssen.

Am 3. Dezember hat die Synodalitätskommission erstmals getagt – gemeinsam mit der SBK und der RKZ. Was ist dabei herausgekommen?

Bihler:  Bei diesem ersten Synodalitätstag ging es zunächst mal um ein Kennenlernen. Zudem setzten wir uns mit den Eindrücken der drei Synodenteilnehmenden aus der Schweiz und den Ergebnissen der Synode vom Oktober in Rom auseinander.  Wir stellten dabei fest, dass wir in der erwähnten Spannung stehen – zwischen geistiger Erneuerung und Strukturwandel.  Das wird uns begleiten. Wir wollen die Chance nützen, die wir mit der fünfjährigen Erprobungsphase erhalten haben.

Übrigens ist dieses «Dreiertreffen» – ein Synodalitätstag von SBK, RKZ und Synodalitätskommission – jährlich vorgesehen. Solche Tage sind das zentrale Forum der gemeinsamen Reflexion über die Synodale Erprobungsphase in der Schweiz, sozusagen der Austausch zwischen Werkstatt-Team und Auftraggeberinnen.

31 Personen gehören der Kommission an. Weshalb so viele?

Bihler: Ein so umfassendes Projekt geistlicher und struktureller Erneuerung braucht ein breit abgestütztes Vertrauen. Die Kommission repräsentiert eine Vielfalt an Stimmen in unserer Kirche. Dies ermöglicht eine breite Willensbildung in Sachen Synodalität und eine frühzeitige Resonanz auf die Arbeit des Werkstatt-Teams. Ohne eine solche Beteiligung und Zustimmung gibt es keine Synodalität. Ich bin jetzt daran, die Mitglieder kennenzulernen und zu besuchen. Und ich merke, es passt: Sie repräsentieren beispielsweise die Sprachregionen mit ihren Kulturen, das duale System der Kirche, alle Ebenen der Kirchenstruktur, das Alter, die Geschlechter, die Professionen. Ich bin gespannt darauf, was für Reaktionen sich daraus für unsere Arbeit ergeben.

Wie geht es weiter mit der Synodalitätskommission?

Bihler: Die Kommission beginnt ihre Arbeit im Februar. Dann haben wir die erste Sitzung. In der Vorbereitung mit dem Präsidium sind wir daran, erste Projekte anzugehen und Themen zu sammeln. Dann werden wir über die ersten Schritte und Projekte entscheiden und danach mit der Werkstattarbeit beginnen. Gleichzeitig üben wir miteinander die geistliche Erneuerung ein.

Und konkreter?

Bihler: Sicher werden wir uns vertieft mit dem Abschlusstext der Bischofssynode auseinandersetzen, der mit der Note des Papstes als päpstliches Lehramt freigegeben worden ist. Wir müssen uns den Text aneignen und überlegen, wie wir das bei uns umsetzen. Und gleichzeitig die Projekte berücksichtigen, die in den Bistümern bereits laufen.

Wann planen Sie erste Resultate vorzustellen?

Bihler: Wir planen für 2026 eine nationale Synodale Versammlung. Dort soll ein erstes Mal zu einem Thema synodal auf Schweizer Ebene gearbeitet werden. Und wir überlegen uns, wie wir unseren Prozess auch im laufenden Jahr sichtbar machen wollen. Wir werden sicher regelmässig auf der Website der Synodalen Erprobungsphase (synodal.ch) darüber informieren. Mehr kann ich nicht sagen – und ich möchte nicht vorgreifen. Erst muss die Synodalitätskommission die Arbeit vollständig aufnehmen, dann sehen wir weiter.

*Fredy Bihler (60) ist seit 2024 Geschäftsführer der neu geschaffenen Synodalitätskommission der SBK. Der Theologe studierte in Freiburg, Canterbury und Innsbruck und arbeitete danach in der Pfarreiseelsorge und in der Diakonie der Caritas St. Gallen-Appenzell – als Projektleiter und in der Geschäftsleitung. Seit einigen Jahren wirkt er auch als Organisationsberater und Coach.