Landeskirchenratspräsidentin: «Politik schätzt Positives und den Wert der Kirche»
Frau Beyeler, empfinden Sie es als Wertschätzung für die drei Landeskirchen, dass Ihnen der grosse Rat einen Kantonsbeitrag von 29,4 Millionen Franken zur Verfügung stellt für die kommenden Jahre?
Marie-Louise Beyeler*: Ja, es ist eine grosse Wertschätzung, welche die Kantonspolitikerinnen und -politiker den Kirchen mit ihrem Beschluss ausdrücken. Mit der Berichterstattung haben die drei Landeskirchen aufgezeigt, dass wir im Bereich der gesamtgesellschaftlichen Leistungen aktiv, umsichtig und mit grossem Engagement wirken.
Macht Sie das als Landeskirchenratspräsidentin glücklich angesichts der gesellschaftlichen Krise, in der die katholische Kirche wegen des Missbrauchsskandals und der zahlreichen Kirchenaustritte steht?
Beyeler: Glücklich ist vielleicht nicht der richtige Begriff. Die Diskussionen und der Entscheid des Grossen Rates zeigen, dass man sehr aufmerksam auf die problematischen Seiten der Kirchen schaut und auch entsprechende Forderungen einbringt, zum Beispiel bei der Berichterstattung zum Thema Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch. Aber der Grosse Rat beachtet auch das Positive, Wertvolle und den Menschen Dienende. Das rechne ich unseren Politikerinnen und Politiker hoch an!
Ist dieser Parlamentsbescheid ein Ausdruck für die gute Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche?
Beyeler: Ja, das kann ich mit Fug und Recht und auch im Namen der reformierten und christkatholischen Akteurinnen und Akteuren so sagen. Es gibt eine regelmässige Zusammenarbeit mit dem Beauftragten für Kirche und Religionen, auch treffen wir uns mit Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen zum Austausch von wichtigen Themen. Das bildet den fruchtbaren Boden für unsere Zusammenarbeit.
Hatten Sie mit einem anderen Ergebnis gerechnet im Hinblick auf die Diskussion in Zürich, wo die Entscheidung des Kantons ja noch aussteht?
Beyeler: Wir haben im Lauf der Berichterstattung gesehen, wie hoch die Leistungen der Kirchen sind. Insgesamt leisten die drei Landeskirchen mit ihrem Engagement in der Gesellschaft jährlich einen Gegenwert von 228 Millionen Franken. Das ist ein stattlicher Betrag! Wir haben in vielen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern feststellen dürfen, dass dies auch beachtet wird. Und wir kannten ja seit einigen Monaten den Antrag des Regierungsrates an das Kantonsparlament. Das hat uns hoffen lassen – eine Sicherheit jedoch gibt es vor solchen Entscheiden nie. Umso mehr sind wir jetzt froh und erleichtert…
Was wollen Sie mit der staatlichen Finanzhilfe in den nächsten Jahren alles an kirchlichen Leistungen stemmen?
Beyeler: Wir können nebst Löhnen für Seelsorgende auch Aufgaben auf kantonaler Ebene finanzieren, welche den Pastoralräumen, Pfarreien und Kirchgemeinden zugutekommen. Und wir sind daran, Projekte zu definieren, welche den von unserem Bischof angesagten Kulturwandel unterstützen. (kath.ch)
*Die Theologin Marie-Louise Beyeler (69) ist seit 2020 Präsidentin der Landeskirche Bern und Mitglied der Steuerungsgruppe «Weg der Erneuerung» im Bistum Basel. Das Interview wurde schriftlich geführt.