«Man hat darauf gewartet, mich zu entsorgen.»

Generalvikar Martin Kopp kann seine Absetzung nicht nachvollziehen und sagt, das sei ein Angriff gegen ihn gewesen. Dies dementiert Mediensprecher Giuseppe Gracia in der Sendung von Regionaljournal Zentralschweiz von Radio SRF.

Er könne den Vorwurf der Illegalität nicht nachvollziehen, erklärte Kopp am Mittwochabend gegenüber dem Regionaljournal. «Offenbar war die Vorstellung von Bischof Bücher, dass wir, die im Bischofsrat sind, aber auch Funktionen in der Leitung draussen – etwa in der Urschweiz – haben, uns gar nicht äussern dürfen.»  

Seine Entlassung sieht er in einem anderen Zusammenhang. «Man hat offenbar darauf gewartet, mich noch zu entsorgen», sagt er im Radio. Als Drahtzieher für das Vorgehen vermutet der langjährige Generalvikar der Urschweiz den Generalvikar in Chur, Martin Grichting.

Er wäre sowieso im Sommer zurückgetreten, erklärt Kopp. «Jetzt ist es einfach drei Monate früher. Das Unschöne ist, dass man die drei Monate benutzt hat, um mir noch eines auszuwischen.»

Vertrauen und Gehorsam

Es gehe «absolut nicht» darum, eines auszuwischen, widersprach der Mediensprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, im Regionaljournal Kopps Aussage und wiederholte die vom Bistum bereits in der Mitteilung vom Mittwoch geäusserte Begründung.

Es gehe um das gegenseitige Vertrauen und darum, sich an die Anweisungen des Bischofs zu halten, so Gracia. Zudem handle es sich um einen «schwerwiegenden Verstoss gegen die Autonomie der Kirche, wenn ein Mitglied der Bistumsleitung das Eingreifen des Staats befürwortet». Das sei «durch nichts zu entschuldigen». (rp)

«Es handelt sich um eine Intrige»

Der geschasste Generalvikar Martin Kopp spricht im Interview mit kath.ch von einer «gezielten Demütigung». Verantwortlich dafür sieht er Generalvikar Martin Grichting und Bistumssprecher Giuseppe Gracia.

Raphael Rauch (kath.ch): Wie geht es Ihnen?

Martin Kopp: Mir geht es nicht schlecht. Aber es tut weh. Ich schaue jetzt nach vorne und bin froh, Chur entkommen zu sein. Es tut mir leid, aber seit gestern begleitet mich das Bild des Schlangennestes. Ich bin jetzt viele Sorgen los.

Schlangennest?

Kopp: Es handelt sich um eine Intrige. Dahinter stecken Generalvikar Martin Grichting und der Medienbeauftragte Giuseppe Gracia.

Der Apostolische Administrator Pierre Bürcher findet, Sie waren illoyal.

Kopp: Ich habe 17 Jahre meines Lebens eingesetzt als Generalvikar. Ich habe meine Gesundheit auf der Strecke gelassen, pausenlos gearbeitet. Ist das illoyal? Ich hatte im Vorfeld vage angekündigt, dass ich im Sommer aufhören will. Ich kann einfach nicht mehr. Mich jetzt abzusägen, war eine gezielte Demütigung.

Der Reihe nach. Am Sonntag wurden Sie in einem Artikel in der NZZ am Sonntag zitiert.

Kopp: Ja, mit Allgemeinplätzen zu einer Sache, die mir unbekannt war – einem Brief der Zürcher Religionsministerin Jacqueline Fehr. Ich habe gesagt, dass Martin Grichting das duale System nicht gut findet. Eine völlige Lappalie, das kann man überall nachlesen. Und dass eine staatliche Intervention auf Rom mehr Eindruck macht. Auch das ist kein Geheimnis. Doch an diesen zwei Äusserungen werde ich jetzt aufgehängt.

Wie hat Chur auf den Artikel reagiert?

Kopp: Am Montagvormittag kam eine E-Mail. Die Sekretärin hat mich im Namen des Bischofs gebeten, am nächsten Tag nach Chur zu kommen. Ich habe gesagt: Ich kann nicht am folgenden Tag. Ich komme am Mittwochvormittag.

Wegen Corona hätte doch jeder Verständnis gehabt, wenn der Termin zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet. Warum haben Sie nicht um Aufschub gebeten?

Kopp: Als ich nach Chur fuhr, war ich völlig ahnungslos. 

Wer war beim Gespräch dabei?

Kopp: Der Bischof, seine Sekretärin und ich.

Wie lief das Gespräch ab?

Kopp: Peter Bürcher war von Herrn Grichting und Herrn Gracia so gebrieft, dass er den Harten markiert hat. Von seiner freundlichen Art war wenig zu spüren. Auf dem Tisch lagen zwei Papiere. Entweder ich unterschreibe meinen sofortigen Rücktritt. Oder ich werde entlassen. Ich habe dem Bischof versucht zu sagen: In drei Monaten höre ich doch sowieso auf. Doch das hat ihn überhaupt nicht interessiert.

Rücktritt war keine Option?

Kopp: Nein, wer mich kennt, weiss, dass ich einen aufrechten Gang habe. Ich will die Entlassung, damit meine Leute in der Urschweiz die volle Wahrheit hören. Am Ende wollte mir der Bischof noch für meine Tätigkeit danken und mich zum Essen einladen. Ich habe dann gesagt: «Danke sehr.» Und bin gegangen. Der Ton blieb anständig.

Was werfen Sie dem Apostolischen Administrator vor?

Kopp: Er lässt sich das Programm von Martin Grichting und Giuseppe Gracia diktieren. Im Grunde tut mir Peter Bürcher leid. Er hat vom Papst eine «Mission impossible» erhalten. Er wird nach Chur geschickt – in ein Bistum voller Konflikte, als Übergangslösung.

Was werfen Sie Generalvikar Grichting vor?

Kopp: Dass er auf diese gezielte Demütigung hingewirkt hat. Er hat auch ständig in mein Arbeitsgebiet hineingefunkt und Fakten geschaffen.

Wann begann Ihr Zerwürfnis?

Kopp: Ich hatte immer versucht, konstruktiv zusammen zu arbeiten, obwohl ich ständig schlecht gemacht wurde. Anfangs war Martin Grichting als Generalvikar relativ jovial zu mir. Aber es wurde dann immer konfliktiver.

Was soll der Bistumssprecher Gracia gegen Sie haben?

Kopp: Giuseppe Gracia versteht sich als alleiniger Sprecher für ein ganzes Bistum von über 700’000 Menschen, was ich nicht verstehen kann. Er duldet nicht, wenn jemand seine Deutungshoheit in Gefahr bringt.

Spielt Ihr Kampf gegen den früheren Churer Bischof Wolfgang Haas noch eine Rolle?

Kopp: Peter Bürcher wollte von mir wissen, warum ich immer gegen die Bischöfe bin. Das stimmt überhaupt nicht. Ich habe mich im Übrigen nicht gegen einen Bischof, sondern immer für das Bistum eingesetzt. Mit Amédée Grab bin ich bestens ausgekommen. Mit Peter Bürcher eigentlich auch, er hat mich sogar in Erstfeld besucht – und gesehen, wie ich mit den Flüchtlingen lebe.

Wie geht es nun weiter?

Kopp: Ich bleibe in Erstfeld im Haus mit den Flüchtlingen und Jugendlichen am Rand. Einer der Flüchtlinge hat einen Bruder, der sitzt auf Lesbos. Ich habe mich in Bern für ihn eingesetzt, doch das Corona-Virus blockiert alles. Wir tun das Möglichste. Darauf kommt es nun an. Ich war immer für die Menschen da. Und das werde ich weiterhin sein.

Heute ist Josefstag. In Uri ist das sogar ein staatlicher Feiertag. Haben Sie ihn trotz allem gefeiert?

Kopp: Schon am Mittwochabend, in einer Vorabendmesse, privat, ganz alleine. Mit aller Überraschung und allem Schmerz des Tages. Ich fand: Der Heilige Josef ist ein guter Patron für so einen Moment.

Ihre Prognose für die Bischofswahl?

Kopp: Ich habe grosse Sorgen, dass der Wunsch des ganzen Bistums nach einem Brückenbauer nicht in Erfüllung geht.

 

Entsetzen über die Absetzung von Generalvikar Martin Kopp

Menschen im Bistum Chur reagieren entsetzt auf die Absetzung des Urner Generalvikars Martin Kopp. «Als Christ kann ich das Vorgehen des Apostolischen Administrators nicht verstehen», sagt Werner Inderbitzin von der Biberbrugger Konferenz.

Die Absetzung von Generalvikar Martin Kopp bezeichnet die Präsidentin des Synodalrates der katholischen Kirche in Zürich, Franziska Driessen-Reding, als «ein skandalöses klerikales Machtgehabe». Es werde ein engagierter Kirchenmann, der zu seiner Überzeugung steht, «eiskalt abserviert».

Dieses «klerikalistische Machtgehabe» mache die Kirche «kaputt». Die Synodalrats-Präsidentin dankt Martin Kopp für seine «unbeugsame Haltung» und sein Einstehen für das duale Kirchensystem in der Schweiz.

«Ich bin entsetzt»

Die Kirche sei kein rechtsfreier Raum beziehungsweise nur den eigenen Regeln verpflichtet, mahnt Driessen weiter. Es gebe staatskirchenrechtliche Regeln, «die auch ein Bischof akzeptieren muss». Weil Kopp sich dafür öffentlich eingesetzt habe, werde er nun von der Bistumsleitung abgestraft. «Ich bin entsetzt», hält Driessen fest.

Mit der Absetzung des Generalvikars zeige sich immer deutlicher, dass die jetzige Bistumsleitung das bewährte duale System mit demokratischer Mitbestimmung des Kirchenvolks abschaffen wolle. Die Solidarität anderer Priester mit Martin Kopp wäre dringend nötig, so Driessen.

Öffentliche Abstrafung ist schlechter Stil

Die Absetzung Kopps nennt der Vize-Präsident der Biberbrugger Konferenz, Werner Inderbitzin, gegenüber kath.ch «einen weiteren grossen Schaden für unsere katholische Kirche und insbesondere für das Bistum Chur». Diese Vereinigung umfasst die Kantonalkirchen des Bistums Chur.

Der «verwerfliche» Entscheid dürfte in den zurückliegenden Jahrzehnten einmalig sein. «Mit einem so verdienten Mann, der sich in der Urschweiz mit übermenschlichem Einsatz für die Kirche Gottes eingesetzt hat, geht man im 21. Jahrhundert nicht um.»

Für einen Christen nicht nachvollziehbar

Martin Kopp habe in der «NZZ am Sonntag» nichts Unwahres gesagt, sondern lediglich bestätigt, was für viele schon längst klar sei. Seine Äusserungen als Illoyalität zu bezeichnen, wie es die Bistumsleitung tue, «kann ich nicht nachvollziehen. Als Christ kann ich das Vorgehen des Apostolischen Administrators nicht verstehen.»

Aus der Sicht des Vize-Präsidenten der Biberbrugger-Konferenz werde Kopp abgestraft. Der starke Mann in Chur, Martin Grichting , habe «den Zeitpunkt taktisch klug gewählt, um den unliebsamen Kontrahenten Kopp zu beseitigen», schreibt Inderbitzin. Jener hoffe, die Corona-Krise werde diese «Angelegenheit» rasch in Vergessenheit geraten lassen.

Klerikal gedacht

Der Entscheid zeige «einmal mehr, dass die oberste Leitung im Bistum Chur immer noch klerikal denkt und handelt». Ein engagiertes, kritisches Mitwirken und Mitdenken der Laien sei weiterhin unerwünscht.

«Wir sind längst nicht mehr im Mittelalter, wo die Kleriker fast die Einzigen waren, die schreiben und lesen konnten», erklärte Inderbitzin weiter und schiebt die Frage nach: «Wer engagiert sich noch für kirchliche Aufgaben, wenn er aufgrund von kritischen Äusserungen mit einem solchen unchristlichen Vorgehen rechnen muss?» Der Personalentscheid zeige, «dass Chur nicht nur einen echten Hirten als Bischof braucht, der auch den Mut hat, Martin Grichting zu ersetzen».

Solidaritätsrücktritt wäre ein Zeichen gewesen

Inderbitzin begrüsst den Verbleib von Josef Annen in seinem Amt, «wobei ich es auch verstanden hätte, wenn er aus Protest zur Absetzung von Martin Kopp den sofortigen Rücktritt erklärt hätte».

Er begrüsst auch die Rüge an Weihbischof Mariam Eleganti. Dessen Äusserungen zur Corona-Epidemie würden jeglicher Logik widersprechen.

Wird dem Kanton Uri sehr fehlen

Der Präsident des Kleinen Landeskirchenrates Uri, Gunthard Orglmeister, bedauert das Ende der Tätigkeit von Martin Kopp als direkter Kirchenverantwortlicher für die Urschweiz. Er habe sich «Zeit seines Lebens mit vollem Herzen für die Verkündigung und das Leben des Evangeliums eingesetzt». Er werde der Kirche im Kanton Uri sehr fehlen, wo er sehr viel Gutes getan habe.

Kein Sinn für die Realitäten

Die Entlassung des Generalvikars komme zu einem absolut unpassenden Zeitpunkt, erklärte ein Seelsorger aus dem betroffenen Generalvikariat, der nicht genannt werden möchte. Die Schweiz beschäftige sich mit dem Corona-Virus. Mit dem Entscheid zeige das Bistum Chur, dass es in der aktuellen gesellschaftlichen Notsituation mit sich selber beschäftigt sei und der gesellschaftlichen Notlage nicht die nötige Aufmerksamkeit beimessen könne.

Der Entscheid sei zudem unverständlich und nicht nachvollziehbar angesichts des Umstands, dass das Bistum vor der Neubesetzung des Bischofsstuhls in Chur stehe. Im Bistum würden nach wie vor tiefe Gräben bestehen. Vor der Bischofswahl hätte es angestanden, diese Gräben nicht zu vertiefen.

Keine Protest-Aktion möglich

Solidarisch zeigen sich Wendelin Bucheli und René Deiss, Seelsorger in Bürglen: «Es herrscht ein Versammlungsverbot. Wir können keinen Protest organisieren.» Dies gilt aber nicht für den digitalen Raum: «Ich bin einmal mehr wütend und enttäuscht, wie mit Menschen unserer Kirche umgegangen wird», schreibt Monika Schmid von der Pfarreileitung St. Martin in Effretikon ZH auf Facebook. Martin Kopp habe über Jahre als Generalvikar sehr gute Arbeit geleistet. Er sei ein umsichtiger Seelsorger. Der Entscheid müsse rückgängig gemacht werden.

 

Bistum Chur setzt Martin Kopp ab

Die Bistumsleitung in Chur greift durch: Der Apostolische Administrator verpasst Weihbischof Marian Eleganti einen Maulkorb und setzt den langjährigen Generalvikar Martin Kopp ab. Der Zürcher Delegierte Josef Annen darf vorerst bleiben.

Dies gab das Bistum Chur auf seiner Website bekannt. Martin Kopp ist früherer Generalvikar und seit der Amtsübernahme des Apostolischen Administrators für das Bistum, Bischof Peter Bürcher, dessen Delegierter für die Bistumsregion Urschweiz.

Dieser verhielt sich in den Augen Bürchers nicht weisungsgerecht. Kopp hatte sich zur Bischofsnachfolge im Bistum Chur öffentlich geäussert und damit gegen eine interne Regel verstossen, wonach alle Anfragen in dieser Sache an den Medienbeauftragten gehen. Zudem soll sich Kopp illoyal verhalten haben.

Kopp gab «NZZ am Sonntag» Auskunft

Der Hintergrund: Die «NZZ am Sonntag» hatte am 15. März über die anstehende Bischofswahl in Chur berichtet. «Martin Kopp, Generalvikar für die Urschweiz, sagt, es deute im Moment vieles darauf hin, dass die vorgeschlagenen Anwärter allesamt auf der Linie Huonders und seines Statthalters Martin Grichting seien», schrieb die «NZZ am Sonntag».

Das Blatt zitierte Kopp mit den auf Grichting Bezug nehmenden Worten: «Durch Letzteren wird die typisch schweizerische Kirchenverfassung permanent infrage gestellt.» Dadurch sei «sowohl der innerkirchliche Frieden als auch die Beziehung der Kirche zum Staat in Gefahr».

Freiheit des Apostolischen Stuhls eingeschränkt

Das Bistum Chur wirft Kopp vor, er habe öffentlich eine Initiative unterstützt, die darauf abziele, die Freiheit des Apostolischen Stuhls und des Domkapitels bei der Wahl des neuen Bischofs einzuschränken. Martin Kopp hat in den Augen von Administrator Bürcher jenes Mindestmass an Vertrauen verloren, welches notwendig ist, um die Aufgabe eines Delegierten des Apostolischen Administrators ausüben zu können.

Die Leitung des Büros des Regionalen Generalvikariats Urschweiz wird laut Bistumsangaben ab sofort Peter Camenzind, Pfarrer in Schwyz, kommissarisch anvertraut, dies bis zur Amtsübernahme des neuen Bischofs von Chur. 

Weihbischof sorgte für «Verwirrung»

Eine weitere Entscheidung des Apostolischen Administrators betrifft Weihbischof Marian Eleganti: Dieser hatte mit umstrittenen Äusserungen zur Corona-Pandemie für Wirbel gesorgt. «Diese Stellungnahmen waren nicht mit mir, beziehungsweise mit dem bischöflich Beauftragten für Medien und Kommunikation, Giuseppe Gracia, abgesprochen», heisst es in der Mitteilung des Bistums.

Entsprechend sei bei den Gläubigen und in der Öffentlichkeit «Verwirrung» über die Haltung des Bistums Chur zur Corona-Pandemie entstanden.

Eleganti darf sich gemäss Mitteilung «nur noch im Einvernehmen» mit dem Apostolischen Administrator und dem bischöflich Beauftragten für Medien und Kommunikation in den Medien äussern. Der Weihbischof habe diese Entscheidung angenommen. 

Annen bleibt vorerst im Amt

Josef Annen, auch er früherer Generalvikar und aktuell Delegierter für die Bistumsregion Zürich und Glarus, bleibt vorerst im Amt. Altersbedingt hatte er seinen Rücktritt auf Ende Juli 2020 eingereicht. Das Erreichen des 75. Altersjahrs sei «für sich allein noch kein ausreichender Grund» zu demissionieren, «bevor der neue Bischof im Amt ist», heisst es in der Mitteilung weiter. Es wäre möglich, dass Annen «sogar noch vor Ende Juli» abgelöst werden könne.

Peter Bürcher hat den Generalvikar für Zürich und Glarus gebeten, vorläufig im Amt zu bleiben, «nicht zuletzt zu Gunsten einer geordneten Übergabe der Arbeit an den Nachfolger». Annen habe sich dazu bereit erklärt. Wer Annens Nachfolger wird, teilte das Bistum nicht mit.

Bürcher hatte Leitungsteam übernommen

Dem Bistum Chur steht nach dem Rücktritt von Bischof Vitus Huonder seit dem 20. Mai 2019 Peter Bürcher als Apostolischer Administrator vor. Er soll das Bistum leiten, bis ein neuer Bischof durch das Churer Domkapitel gewählt ist. Die bereits im vergangenen Jahr erwartete Wahl hat sich immer wieder verzögert.

Bürcher hatte bei seinem Amtantritt alle Führungskräfte im Bistum bestätigt. Dazu gehören neben dem nun entlassenen Martin Kopp und dem aus Altersgründen zurücktretenden Josef Annen der Generalvikar, beziehungsweise Delegierte für die Bistumsregion Graubünden, Andreas Fuchs, sowie der direkte Delegierte des Administrators, Martin Grichting.

 

Knall aus Chur

Pierre Bürcher hat zwei gute und eine problematische Entscheidung getroffen. Ein Kommentar von kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.

Der Apostolische Administrator in Chur ist eingeschritten. Er hat Weihbischof Marian Eleganti einen Maulkorb verpasst. In Zeiten, in denen Solidarität gefordert ist und Fake News zur Corona-Pandemie Konjunktur haben, ist das ein wichtiges, richtiges, überfälliges Zeichen. Es stärkt auch die Bischofskonferenz, die nun weniger Befürchtungen haben muss, dass ihre Beschlüsse ständig konterkariert werden.

«Josef Annen steht für Diplomatie.»

Die anderen zwei Personalentscheidungen sind mal harmlos, mal empörend. Der Zürcher Generalvikar Josef Annen geht in die Verlängerung, bis ein neuer Bischof da ist. Annens Verlängerung ist eine gute Nachricht: Er steht für Pastoral, er steht für Kontinuität, er steht für die Kunst der Diplomatie.

Empörend ist die Absetzung von Martin Kopp: Er wurde fristlos geschasst. Die Urschweiz steht ohne den beliebten Generalvikar da. Kopps offene und schweizweit sehr geschätzte Kommunikation wurde ihm zum Verhängnis.

Damit verliert die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz Knall auf Fall ihren Präsidenten. Auch hier wird Kopp mit seiner authentischen und wohlwollenden Kommunikation fehlen.

«Martin Kopp lässt sich den Mund nicht verbieten.»

Der Apostolische Administrator Pierre Bürcher gilt als freundlich, harmonisch und als Mann, der lieber den Übergang verwalten als neue Fakten schaffen wollte.

Entweder wurde seine Führungsstärke bislang unterschätzt. Oder er wurde von anderen dazu gedrängt: Wenn schon der sendungsbewusste Eleganti einen Maulkorb bekommt, dann muss erst recht Kopp geopfert werden. Der lässt sich ohnehin nicht den Mund verbieten.

Petition zugunsten von Martin Kopp gestartet

Die Theologin Veronika Jehle hat die Online-Petition «Seelsorgerinnen und Seelsorger distanzieren sich vom Entscheid von Peter Bürcher» gestartet. Die gesammelten Unterschriften sollen der Leitung des Bistums Chur übergeben werden.

Die Petition äussert eine grosse Unzufriedenheit über den Entscheid des Apostolischen Administrators des Bistums Chur, Peter Bücher, den Generalvikar der Region Urschweiz, Martin Kopp, per sofort aus allen Ämtern zu entlassen. Sie fordert die Bistumsleitung zum raschen korrigierenden Handeln auf.

«Wir erwarten von Administrator Peter Bürcher, dass er das Gespräch mit Generalvikar Kopp wieder aufnimmt», heisst es darin. Und dass er dann seinen Entscheid zurücknehme.

«Kopp spricht aus, was viele denken.»

Laut den Petitionären gibt es «keinen Grund, warum Martin Kopp seinen Dienst als Generalvikar nicht weiterführen sollte». Die von Martin Kopp geäusserten Bedenken seien berechtigt. Mit der Freistellung Kopps habe Peter Bürcher «Brücken abgerissen zu einem, der ausspricht, was viele Katholikinnen und Katholiken denken, darunter auch wir.»

Halte Bürcher an seinem Entscheid fest, so erwarteten die Petitionärinnen und Petitionäre zumindest «eine Begründung auf der Basis von Argumenten und nach Methoden, die verantwortliches Handeln erkennen lassen». Die monarchische Führung in der katholischen Kirche müsse «ein Ende haben». Entscheidungen müssten mit den Betroffenen besprochen, transparent getroffen und nachvollziehbar begründet werden.

Weitere tiefgreifende Verletzung

Korrigiere der Interimsleiter des Bistums Chur seinen Entscheid nicht auf eine der beiden Arten, habe er «zur Spaltung unseres Bistums beigetragen, indem er eine neue tiefgreifende Verletzung dem fragilen System zugefügt hat.» Damit riskiere er, dass sich weitere Menschen von der Kirche distanzierten. (rp)