Wie fasten Sie? Bischof Bonnemain: «Ich erachte das Fasten auf Lieblosigkeiten als das Wichtigste"
Simone Curau-Aepli, Präsidentin Schweizerischer Katholischer Frauenbund: «Sowohl die Fastenzeit wie die Adventszeit sind für mich besondere Zeiträume, die ich sehr schätze. Im Rhythmus des Jahres laden sie mich ein, bewusst innezuhalten. Ich bin eine recht kontrollierte Person, was meinen Lebenswandel angeht. So fällt es mir grundsätzlich schwerer, zu schlemmen oder mich auszutoben, als Mass zu halten oder auf etwas zu verzichten.
Meine Haltung «mehr ist nicht besser» bewahrt mich vor übermässigem Konsum, seien es Süssigkeiten, Tabak oder Medien. Daher steht für mich in den kommenden Wochen bis Ostern nicht das «Wie viel» im Vordergrund, sondern eher das «Wie». Wie esse ich achtsam? Wie halte ich meinen Körper beweglich oder pflege die Stille? Wie gehe ich mit dem Weltgeschehen um? Oder wie pflege ich Verbundenheit mit Menschen, die leiden?
Abt Urban Federer, Kloster Einsiedeln: «Die Fastenzeit ist für mich eine Zeit der Entschleunigung. Darum freue ich mich auf sie. Ich habe mir angewöhnt, in meiner Agenda die Fastenzeit zu markieren. Bei jedem Termin, den ich wahrnehmen sollte, lässt mich diese Markierung fragen: Ist er wirklich notwendig? Kann ich auf ihn verzichten? Die freie Zeit, die ich dabei gewinne, gibt mir die Gelegenheit zu mehr Ruhe.
Zu diesen Terminen gehören auch Einladungen zu Essen und Apéros. Mit dem Verweis auf die Fastenzeit kann ich mich schneller von einem Essen abmelden oder bei einem Apéro sagen, ich trinke im Moment keinen Alkohol. Das wird gemeinhin akzeptiert. Vorgenommen habe ich mir zudem, mich mehr von meinem Bürostuhl ins Freie wegzubewegen. All das soll helfen, dass ich entschleunigt und hoffentlich etwas freier auf Ostern zugehen kann. Das ist mein Lieblingsfest im Jahr, auf das ich mich gerne vorbereite.»
Ann-Katrin Gässlein, Theologin: «Auf die Fastenzeit mit ihrem Auftakt am Aschermittwoch freue ich mich eigentlich. Die 40 Tage vor Ostern waren in der Frühkirche die Zeit der Vorbereitung auf die Taufe, die Zeit der Glaubensunterweisung und -vertiefung. Mir gefällt diese Zeit voller symbolisch-liturgischer Akzente, anspruchsvoller Fastenpredigten und gemeinsamer Suppenzmittage.
Mit persönlichen Fastenvorhaben – so meine Erfahrung – scheitere ich leider des Öfteren. 40 Tage mit allen möglichen unvorhergesehenen beruflichen oder familiären Ausnahmesituationen machen es schwierig, genug innere Ruhe und den Durchhaltewillen aufzubringen, um Kaffee und Süssigkeiten zu entsagen. So bin ich in meinem Vorhaben bescheidener geworden.
Um ehrlich zu sein: Nötig wäre in allererster Linie ein bewusster, reduzierter Umgang mit dem Handy. Nicht nur eine Senkung der täglichen Bildschirmzeit, sondern überhaupt eine andere Präsenz des Geräts im Alltag: Ich wünsche mir ein Ausschalten, Weglegen – und Weglassen. Davon verspreche ich mir wirklich eine Verbesserung meiner Beziehungen und eine Vertiefung der Zeit, die ich mit mir selbst verbringe.»
Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur: «Ich halte die geltenden Bestimmungen der Schweizer Bischofskonferenz betreffend Fasten und Abstinenz ein.
Dabei ist das rein physische Fasten nicht das Wichtigste, sondern die Gesinnung der Umkehr und des Freiwerdens von Altlasten. «Ich erachte das Fasten auf Lieblosigkeiten als das Wichtigste: Ungeduld, Unverständnis, keine Zeit haben für die anderen, unaufmerksam zuzuhören, Vorurteile, Diskriminierung, Parteilichkeit, negativ denken, unbegründete Kritik, Unbeherrschtheit, Gleichgültigkeit, Mangel an Mitgefühl. Ein solches Fasten ist sehr herausfordernd aber sehr wirksam.»
Charles Morerod, Bischof von Freiburg, Lausanne und Genf: «Ich habe selten zwei volle Mahlzeiten am Tag, und ich esse morgens nicht. Eigentlich ertrage ich es nicht mehr, zwei grosse Mahlzeiten zu haben, und ich vermeide die Gelegenheiten dazu.
Die Schwierigkeit besteht darin, Mahlzeiten zu bewältigen, die oft von anderen organisiert werden – denen ich übrigens dankbar bin, weil sie mir oft Freude bereiten. Was das Trinken betrifft, so mache ich das ganze Jahr über alkoholfreie Tage: In der Fastenzeit werde ich dies verstärkt tun, aber das hängt auch von anderen ab: Man enttäuscht keine Gastgeber, die sich freuen, einen guten Wein zu präsentieren. Eine Form des Fastens ist also das ganze Jahr über vorhanden, weil man die Möglichkeiten nicht im Griff hat. Die Fastenzeit sollte vielmehr eine Gelegenheit sein, zu beten und besser zu lieben».
Stefan Staub, Diakon in der Pfarrei Teufen, Bühler, Stein: «Ja, das passt nicht so, das ist ein leidiges Thema bei mir. Dass ich mich in meinen arbeitsintensiven und vollen Wochen auf ein bewusstes, klassisches Fasten einlassen möchte, bleibt bei mir eine Hoffnung, die sich selten erfüllt. Durch meine unregelmässigen Arbeiten in der Armeeseelsorge und in der Pfarrei ist meine Nahrungsverweigerung sehr unregelmässig. Ich versuche aber zwischen Aschermittwoch und Karfreitag bewusst auf Alkohol, sprich: Wein, und Süssigkeiten zu verzichten.
Mein Fasten besteht mehr darin, mich bewusst zu lösen von den alltäglichen Sorgen, die ich mit mir trage und mich oft ohnmächtig stimmen, indem ich sie jener Kraft überlasse, die ohnehin weiter blickt als ich – mit meiner beschränkten Sicht in die chaotischen Abläufe der Welt und unserer Zeit. Die Fastenzeit bindet mich spirituell und intellektuell vermehrt an die Gegenwart Gottes. Sie macht mich frei von persönlichen Ängsten und Unsicherheiten.»
Propst Martin Werlen, Propstei St. Gerold: «Mit der Bezeichnung «Fastenzeit» kann ich nicht viel anfangen. In den meisten Sprachen spricht man von den Heiligen Vierzig Tagen: Quadragesima. Das Fasten ist nur ein Aspekt dieser Zeit. Diese Heiligen Vierzig Tage, die am Aschermittwoch beginnen, sind ein intensives Training unserer Sehnsucht nach Gott.
Diese Sehnsucht drückt sich in erster Linie in der Liebe aus, besonders in der Liebe zu den Menschen in Not. Ich will Augen, Ohren und Herz besonders für die Not in unserer Zeit öffnen: in allen Gebetszeiten jeweils konkrete Menschen im Gebet Gott ans Herz legen; jeden Tag bewusst auf einen von den Menschen zugehen, denen ich normalerweise aus dem Weg gehe. Und – auch wenn ich unterwegs bin, immer Menschen in Not zum gemeinsamen Mahl einladen.»
Mario Pinggera, Pfarrer in Richterswil: «Die «Fastenzeit», sprich: was zum Beispiel den Verzicht auf alkoholische Getränke angeht, habe ich bereits hinter mir.Diese folgt immer im Januar. Ab heute werde ich wieder besonders darauf achten, dass Sitzungen am Abend nicht zu lange dauern. Fasten mit Zeitverschwendung. Die Vorsitzenden wissen, ab 20.30 Uhr bin ich weg. Mit guter Vorbereitung ist das kein Problem. So ging die letzte Sitzung der Kirchenpflege 23 Minuten lang. Ansonsten selten mehr als eine Stunde.
Ab 21 Uhr nach einer kleinen Lektüre gehte ich schlafen. Die «Fastenzeit» soll keine äusserliche Angelegenheit sein, sondern ein Durchatmen für Körper und Geist. Speisege- und -verbote mögen hilfreich sein. Wesentlich sind sie nicht. Ganz gut steht es auch beim Lied 266 im Gotteslob, wo die 6. Strophe lautet: «Tut Gutes allen, helft den Unterdrückten und stiftet Frieden: Liebet euren Nächsten. Dies ist ein Fasten in den Augen Gottes.» Daran versuche ich mich zu halten.» (kath.ch)