Editorial

Das grosse Fest der Hoffnung

1955 beschrieb der in Solothurn als Religionslehrer tätige Marienkundler Alois Müller im Büchlein «Du bist voll der Gnade», was der katholische Glaube über die Mutter Jesu und ihre Stellung in der Kirche lehrt. Damals gab es nicht ein Zuwenig an Marienverehrung, sondern eher ein Zuviel. Umso mehr drängte sich damals ein nüchternes theologisches Nachdenken über Maria auf.

Alois Müller legte klar, dass Maria nicht «Miterlöserin» ist, sozusagen Göttin, sondern Mensch, auch wenn ihr eine in der Menschheit hervorgehobene Stellung zukommt. Gott wurde in Jesus Christus Mensch, womit es Maria als Gottesmutter möglich wurde, mit Gott in engsten Kontakt zu treten. Ihr Ja zur Mutterschaft von Jesus Christus (Lk 1,26–38) bewirkte, dass sie voll der Gnade wurde. Diese Gnadenfülle drückt sich etwa in den theologischen Geheimnissen der Unbefleckten Empfängnis und in ihrer leiblichen Auferstehung aus, die wir am 15. August an Mariä Himmelfahrt feiern.

1980 veröffentlichte der gleiche Autor ein neues Buch über Maria («Glaubensrede über die Mutter Jesu»). Um die Marienkunde war es nun still geworden, und vieles an Marienverehrung ging verloren. Deshalb fragte sich Alois Müller, wie man neu und modern über Maria sprechen kann: Es zeigt sich in der Bibel mit Maria ein Mensch, der sich in glaubendem Gehorsam gegenüber Gott ganz der Aufgabe hingibt, Gottesmutter zu sein. So ist sie das Urbild aller Jüngerinnen- und Jüngerschaft Christi. Der Autor wirft die alten Glaubenswahrheiten nicht über Bord, sondern spricht in neuer Form darüber mit dem Fazit: Was Gott an Maria gewirkt hat, kann auch an uns geschehen. Wenn wir Maria als Vorbild nehmen, sind wir auf gutem Wege. Wenn man von Maria spreche, soll man aber das Wirken des Heiligen Geistes nicht vergessen.

Mit dem Fest Mariä Himmelfahrt ist uns also das versprochen, was an Maria bereits Wirklichkeit geworden ist: Erlösung und Auferstehung. Wenn das nicht ein Grund zur Hoffnung ist!

Ich wünsche Ihnen einen freudigen 15. August und empfehle Sie der Fürbitte Mariens!

Urban Fink-Wagner