
Bild: Christiane Lubos
Jugend
Jung und von Armut betroffen
von Anna Trittibach
Im Firmkurs war für uns Armut ein abstraktes Wort. Was Armut wirklich bedeutet, erfuhren wir erst auf dem Stadtrundgang «Solothurn einmal anders» – ein Angebot der Caritas Solothurn. Wir lernten dabei den Alltag von armutsbetroffenen Jugendlichen kennen.
Wir waren gerade mitten in der Führung, als uns ein junger Mann, der auf einer Parkbank schlief, auffiel. Frau Zürcher, die Leiterin der Führung, ging auf ihn zu und wir folgten ihr zögernd. Als wir ihn geweckt hatten, kamen wir bald ins Gespräch mit ihm und erfuhren, dass er Amar hiess und in einer sehr kleinen Wohnung mit vielen Leuten lebte. Während er erzählte, tauchte eine junge Frau auf, die Amar offenbar kannte. Sie fing an, ihm vorzuwerfen, dass er sein Leben nicht im Griff habe und sowieso nichts auf die Reihe bringe. Wir waren sehr verunsichert, als die Diskussion immer heftiger wurde. Als dann Frau Zürcher dazwischen ging und beide beruhigte, waren wir erleichtert. Erst jetzt wurde uns klar, dass es sich um ein Rollenspiel handelte. Nun teilten wir uns in zwei Gruppen auf. Ich ging mit Amar mit und wir beschlossen, ihm die Badi zu zeigen. Unterwegs fragte er, ob man da Eintritt zahlen müsse. Als wir bejahten, sagte er frustriert, dass er dann nicht mitkommen könne. Er hatte zu wenig Geld. Wir wussten nicht, was wir darauf antworten sollten, weil wir dieser Situation noch nie begegnet waren. Als Frau Zürcher daraufhin Amar fragte, ob wir etwas anderes für ihn machen könnten, antwortete er: für ihn einzukaufen. Er gab uns eine Liste und 9 Franken, die ihm für Essen und alles andere tagtäglich zur Verfügung stehen. Wir merkten bald, dass 9 Franken sehr knapp waren. Nur im billigsten Laden und mit den billigsten Sachen reichte es am Schluss fast – aber nicht für alles.
Anschliessend trafen wir uns mit den anderen und besprachen, wie es uns ergangen war und was wir gelernt hatten. Uns war nun klar geworden, dass Armut zum Beispiel auch bedeuten kann, nur eine ganz kleine Wohnung zu haben, in der man keinen Platz für Ruhe findet. Besonders schwierig wird es, wenn man als Jugendlicher helfen muss, seine Familie finanziell über die Runden zu bringen. So bleibt kein Geld, um auch mal mit anderen in die Badi zu gehen und letztlich: Freunde zu finden.
Obwohl Caritas die Szenen mit Schauspielern inszeniert hat, haben wir sehr viele wichtige Informationen spannend übermittelt bekommen. Diese Stadtführung war sehr eindrücklich und regte zum Nachdenken an. Jedes sechste Kind in der Schweiz ist arm oder von Armut bedroht!