Focus

Konfessionelle ­Sprache?

Frage: Frau Balbach, Sie sagen, Konfessionen kann man an der Sprache erkennen. Was heisst das?
Balbach: Bis um das Jahr 1800 konnte man an bestimmten sprachlichen Merkmalen sehen, ob jemand katholisch oder evangelisch war. Darüber habe ich meine Dissertation geschrieben. In der frühen Neuzeit, nach der Reformation, hatten Protestanten und Katholiken tatsächlich in bestimmten Bereichen einen unterschiedlichen Sprachgebrauch. Grund dafür war – ganz vereinfacht gesagt – die deutsche Bibelübersetzung Martin Luthers. [...]

Und wie haben Katholiken gesprochen? 
Balbach: Katholiken haben sich am Sprachgebrauch des katholischen Südens orientiert, dem Oberdeutschen. Der Wunsch nach Abgrenzung von der jeweils anderen Konfession war damals so ausgeprägt, dass er sich in Architektur, Kunst und sogar in der Mode zeigte und eben auch in der Alltagssprache.

Und wie ist das heute? 
Balbach: Genau das habe ich mich im Vorfeld meines aktuellen Forschungsprojekts gefragt. Es kann ja eigentlich nicht sein, dass diese Unterschiede alle verschwunden sind. Heute ist beispielsweise die Rechtschreibung einheitlich, das war früher ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Katholiken und Protestanten. Daran kann man also keine Unterschiede mehr festmachen. Also musste ich nach anderen Merkmalen Ausschau halten. Und so kam die Idee, mal einen Blick auf die modernen Radiopredigten zu werfen. 

Und da reden Katholiken anders als Protestanten?
Balbach: Ja, unsere Analysen konnten tatsächlich einige sprachliche Unterschiede herausstellen. Wir haben fast 3000 Radiosendungen des Formats «Kirche in 1LIVE» aus den letzten zehn Jahren untersucht. Etwa die Hälfte wurde von katholischen Autorinnen und Autoren geschrieben, die andere Hälfte von evangelischen Autorinnen und Autoren. Und siehe da: Die katholischen und evangelischen Beiträge weisen eine Reihe an unterschiedlichem Sprachgebrauch auf. Die konfessionellen Unterschiede fangen schon bei den Themen an: Es gibt typisch katholische Themen und eher protestantische. Oder auch wie ein Thema angegangen wird, kann die Konfession verraten. 

Anna-Maria Balbach leitet das DFG-Projekt «Sprache und Konfession im Radio» an der Westfälischen Wilhelms Universität. 

Das vollständige Interview findet sich unter: www.katholisch.de/artikel/42203-sprachexpertin-balbach-katholiken-sprechen-anders-als-protestanten