Schwerpunkt

Ostern verstehen?

von Reto Stampfli

Kann man Ostern verstehen? Die Osterbotschaft stellt für erwachsene Christinnen und Christen eine Herausforderung dar. Die Karwoche ist ein Auf und Ab der Gefühle. Was löst die Passions- und Ostergeschichte bei Jugendlichen aus? Eine Primarschülerin erzählt, was sie über die ­Karwoche und ihre Ereignisse denkt. 

Ostern ist theologisch der Dreh- und Angelpunkt in der christlichen Verkündigung, obwohl es als Fest in der allgemeinen Wahrnehmung hinter Weihnachten zurückfällt. An Ostern steht die Auferstehung Jesu von den Toten im Zentrum. Doch wenn es schon den Erwachsenen schwerfällt, diese Glaubensaussage von der Auferstehung anzunehmen, wie sieht es dann bei Kindern und Jugendlichen aus? Mara Leisibach hat sich den Fragen des «Kirchenblatt» gestellt. Sie wird im September 13 Jahre alt und interessiert sich für religiöse Fragen. In den Religionsunterricht geht sie gern, da dort offen über alles gesprochen wird. Noch besucht die aktive Ministrantin die 6. Klasse der Primarschule im luzernischen Römerswil. Mitte August wird sie dann an das Gymnasium in Beromünster wechseln. Sie wohnt mit ihren ­Eltern auf einem Bauernhof oberhalb des Dorfkerns, von dem man einen gross­artigen Blick auf den Pilatus und die Zen­tralschweizer Alpen hat. Mara ist eine Vielleserin, backt und kocht für ihr Leben gern und spielt ­Klavier.  

Auf was freust du dich an ­Ostern am meisten?
Ich weiss, das ist nicht die beste Antwort, aber ich freue mich sehr auf die Schoggi­hasen. Ganz wichtig ist für mich auch das gemeinsame Feiern mit meiner Familie und meinen Verwandten. Ostern ist für mich auch ein «Frühlingsfest», mit der Natur, die überall rund um unseren Bauernhof am Erwachen ist. Da ich gern in der Küche bin, ist die Osterzeit eine gute Gelegenheit, neue Rezepte auszuprobieren. Super ist natürlich auch, dass wir Schulferien haben.

Was bedeutet dir die biblische Ostergeschichte?
Ich finde die Karwoche sehr interessant. Es beginnt mit dem Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem ankommt und gefeiert wird. Wir haben zwar keinen Esel auf dem Bauernhof, aber ich habe mich immer gewundert, warum der Gottessohn nicht auf einem Pferd in die Stadt einreitet. Der Esel ist halt als Tier viel weniger spektakulär, das ist vermutlich der Grund. Ganz speziell ist für mich das letzte Abendmahl, an dem Jesus noch einmal mit seinen Freunden zusammen isst und trinkt. Ich stelle mir immer vor, wie alle um einen grossen Tisch herum sitzen. Das ist ähnlich wie an Karfreitag oder Ostern bei uns zu Hause. Es war sicher nicht einfach für Jesus, da er bereits wusste, dass er von einem seiner Kollegen verraten wird. Am nächsten Tag kommt dann die ganz grosse Katastrophe. Jesus stirbt am Kreuz und keiner seiner Freunde ist an seiner Seite. In der Kar­woche passiert also recht viel und die Stimmung kippt total. Das merkt man auch sehr gut beim Einsatz als Ministrantin an den verschiedenen Tagen.  

«Jesus stirbt am Kreuz.» Was löst das Kreuz als «Foltergerät» bei dir aus?
Das Kreuz macht mir eigentlich keine Angst. Es gehört halt einfach zu meiner ­Religion. An der Erstkommunion habe ich ein Kreuz geschenkt bekommen. Für mich ist es ein Symbol, das mit einer Geschichte verbunden ist, die schlussendlich ein gutes Ende findet. Wenn ich aber in unserer Pfarrkirche den gekreuzigten Jesus mit der Dornenkrone anschaue, dann frage ich mich immer wieder, warum es soweit kommen musste. Wenn ein Mensch so leiden muss, dann ist etwas richtig schiefgelaufen. Auf meinem Schulweg hinunter ins Dorf hat es einen Kreuzweg, der entlang der Strasse aufgestellt ist. Dort ist das Kreuz fast auf jeder Darstellung zu sehen. Da merkt man sofort, welche grosse Bedeutung dieses Kreuz hat.   

Im «Glaubensbekenntnis für ­Kinder» (siehe Kasten rechts) heisst es: «Jesus ist aufer­standen, weil Gott für uns ­Menschen da sein will.» Wie ­verstehst du diese Aussage? 
Jesus ist der Botschafter von Gott. Es hätte bei den Menschen wohl grosse Angst ausgelöst, wenn Gott als «Höhere Macht» direkt vor ihnen erschienen wäre. Das hätten sie nicht verkraften können. Darum ist Jesus ein Mensch, wie alle anderen auch. Ich kann ihn mir recht gut vorstellen; bei Gottvater und dem Heiligen Geist gelingt mir das nicht so gut. Jesus begegnet mir in der Bibel und ich bin froh, dass man ihn dort in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen sehen kann. Seine Geschichten und Gleichnisse können mir helfen, auch einiges in meinem Leben besser zu verstehen. Im Religionsunterricht sprechen wir regelmässig darüber, dass seine Botschaft seit fast 2000 Jahren die Menschen anregt; ja, vielleicht sogar ab und zu aufregt.  

«Jesus ist auferstanden und ist lebendig unter uns.» Wie kann jemand lebendig sein, wenn er vor 2000 Jahren hingerichtet wurde?
«Lebendig» ist hier nicht so zu verstehen, dass ich Jesus grüssen oder anfassen könnte – kein «High Five» oder ein Handschlag mit ihm. Jesus ist auf eine andere Art bei uns: Wenn wir wollen, kann er in unseren Köpfen und Herzen lebendig sein. Er ist nicht direkt vor Ort, aber wir können uns an seine Taten erinnern. Die Bibel erzählt von seinem Wirken. Das ist wie mit Gott, der ja auch nicht persönlich bei uns anwesend ist. Wir können daran glauben, dass Jesus unter uns noch immer lebendig ist, wir können es aber nicht beweisen. Mit dem Begriff «Auferstehung» hatte ich lange etwas Mühe, da mir die Zombies aus den Horrorfilmen in den Sinn gekommen sind. Die können einem ja ziemlich Angst einjagen. Der auferstandene Jesus ist jedoch alles andere als ein Angstmacher; ich verstehe ihn eher als ein Mutmacher für seine Kolleginnen und Kollegen. «Lebendig» heisst dann ganz einfach, dass er nicht vergessen wurde.      

Wann ist für dich der Glaube «­lebendig»?
Immer, wenn ich mit anderen darüber spreche. Ganz speziell war es für mich, als meine beiden Grossväter starben. Ich war sehr traurig und konnte nicht verstehen, was da passiert ist. Es hat mir geholfen, daran zu glauben, dass nicht einfach alles fertig ist. Wie an Ostern geht die Geschichte weiter. In meiner Erinnerung bleiben meine Gross­väter lebendig. Auch in anderen Situationen, die mir Angst machen, glaube ich daran, dass ich mir keine Sorgen machen muss, denn ich bin nicht allein.    

Mitgerissen werden    
An Ostern können wir hin- und hergerissen sein. Wollen wir so weitermachen wie immer, den Status quo bewahren, oder lassen wir uns aus unserer gewohnten Bahn bringen. Lassen wir uns von Jesus und seinem Weg mitreissen oder bleiben wir lieber beim Schokoladenhasenschmausen. Bereit zu sein, sich «kindlich» mitreissen zu lassen, heisst aber nicht, passiv dazusitzen und zu warten, ob eine Antwort von Christus kommt. Für den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer heisst «Glauben lernen» kraftvoll zu warten, das bedeutet, sehnsüchtig zu warten und zu suchen. Wenn wir mit solch einer Sehnsucht nach Gott suchen, wenn wir eine Antwort von Gott erhalten wollen, sehen wir schon, dass wir uns nicht mit halben Sachen zufriedengeben können, sondern es geht tatsächlich um das «alles und allein» – nicht im übertragenen Sinn oder in einer philosophischen Spitzfindigkeit, sondern in einem lebensentscheidenden Sinn: Gott allein und alles für uns in Jesus Christus und wir allein mit ihm und alles für ihn. Ganz im Geist des Galaterbriefs: «Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.» (Galaterbrief 2, 19–20)   

Glaubensbekenntnis für Kinder 

 

Jesus ist auferstanden,

weil Gott für uns Menschen da sein will.

Jesus ist auferstanden,

weil auch unser Leben hell werden soll.

Jesus ist auferstanden,

weil Gott uns liebt.

Jesus ist auferstanden

und alle Menschen dürfen hoffen,

auch wenn sie Schlimmes erleiden ­müssen.

Jesus ist auferstanden

und auch unser Leben wird nicht im Tod enden.

Wir werden einmal wieder bei Gott sein.

Jesus ist auferstanden und ist ­lebendig unter uns,

immer wenn wir in seinem Namen ­zusammen sind.

Ulla Jansen