Petr Novák, Wikipedia
Thomás Halík (*1948) ist Professor für Soziologie und Pfarrer der Akademischen Gemeinde Prag.
Focus
Auferstehung ist Verwandlung
Der tschechische Theologe Thomás Halík macht sich Gedanken zum Christentum von heute.
Glaube, etwas Absolutes oder auch nur allgemein Verbindliches scheint es heute immer weniger zu geben. Wie kann man überhaupt neue Zugänge zu Religion und Transzendenz erschliessen?
Halík: Für Jesus war nur die Liebe absolut. Bei der Transzendenz im Christentum geht es um Liebe: um Selbsttranszendenz, Überwindung des persönlichen und gruppenbezogenen (und kirchlichen) Egoismus, Selbstbezogenheit.
Gott ist das, was in der Liebe heilig ist. Sie ist die einzige absolute, auch allgemein verbindliche und sehr anspruchsvolle. Dies geschieht und zeigt sich in Beziehungen, nicht in dogmatischen Formulierungen.
Das Konzil hat die Christen aufgerufen, die «Zeichen der Zeit» zu erkennen und darauf zu reagieren. Was sind die Zeichen unserer Zeit?
Halík: Ich sehe zwei starke Tendenzen in unserer Welt. Zum einen besteht ein Interesse an Spiritualität, zum anderen der Wunsch, die religiöse Energie politisch zu nutzen. Eine von der Ethik, insbesondere von der Ethik der Solidarität und der politischen Verantwortung, losgelöste Spiritualität wird zu einer billigen Solidarität. Und die Verwendung des Christentums als politische Ideologie (wie wir sie in Polen, Ungarn und bei den amerikanischen Republikanern sehen) führt zu einem gefährlichen «Katholizismus ohne Christentum». Die Beziehung zwischen der spirituellen und der politischen Dimension des Glaubens muss neu überdacht werden.
Worin liegen die Chancen für das Christentum in der gegenwärtigen Zeit?
Halík: Im Kreuz und in der Auferstehung. Die Krisen der Kirche sind die «passio continua», das andauernde Geheimnis des Kreuzes. Die persönlichen Bekehrungen und Reformen der Kirche sind «resurrectio continua», die andauernde Auferstehung. Die Auferstehung ist eine überraschende Verwandlung.