Schwerpunkt

Auf dem Jakobsweg von Basel nach Solothurn:

Auf www.jakobswege-europa.de findet man eine interaktive Karte der Jakobswege.

Der Theologe Stephan Kaisser ist Diakon, Religionslehrer an der Kantonsschule ­Solothurn und Mitglied der «Kirchenblatt»-­Redaktionskommission.

ein Weg der Besinnung und Entdeckung

von Stephan Kaisser

Vor genau 10 Jahren habe ich hier im «Kirchenblatt» einen Artikel über das Pilgern veröffentlicht: Der Weg als Ziel. Darin wurde auch der Jakobsweg erwähnt. Diesen möchte ich Ihnen etwas ­näherbringen und Sie eventuell anregen, in diesen Sommertagen ein Stück des Jakobswegs
in der Schweiz unter die Füsse zu nehmen.

Im Zeichen der Muschel bis nach Santiago de Compostela
Das Grab des Apostels Jakob in Santiago de Compostela («Heiliger Jakob im Sternenfeld») in Spanien zu besuchen, ist das Ziel der Pilger auf dem Jakobsweg. Um Jakobus ranken sich besonders in Spanien zahlreiche Legenden. Er soll dort nach der Himmelfahrt Jesu missioniert haben. Nach einer anderen Legende gelangte sein Leichnam nach dem Märtyrertod in Jerusalem mit einem Schiff nach Galizien, und Gläubige setzten ihn im Landesinneren bei. Doch sein Grab geriet in Vergessenheit. Anfang des 9. Jahrhunderts soll eine Sternenerscheinung den Eremiten Pelagius zum Grab geführt haben. Es wurde darüber eine Kapelle, später eine Kirche und schliesslich die Kathedrale errichtet, um die herum sich der Pilgerort Santiago de Compostela entwickelte und zu der die verschiedenen Jakobswege hinführen. Seit dem späten 9. Jahrhundert wurde der Apostel Jakobus zum Nationalheiligen, der vor allem im Kampf gegen die Feinde der Christen, insbesondere die Mauren, half.

Um das Jahr 1138 entstand bereits ein erster Reiseführer («Liber Sancti Jacobi»), verfasst von einem französischen Mönch. Das Jakobsgrab hatte schon im Mittelalter Menschen aus verschiedensten Gegenden in Europa angezogen. Sie wollten am Grab des Märtyrers an einem Stück Himmel teilhaben, auf dem Weg dorthin Busse tun, Sühne für ein Verbrechen leisten, Heilung von einer Krankheit oder die Erfüllung einer anderen Bitte erfahren. Aus allen gesellschaftlichen Schichten vom Verbrecher bis zum Kaiser pilgerten Menschen nach Santiago. Auch heute sind die unterschiedlichsten Menschen aus verschiedensten Motiven nach Santiago unterwegs. Je weiter man von Santiago entfernt ist, desto verzweigter wird das Netz der Jakobswege. Wie bei einem Baum geht von der Wurzel der Stamm aus, dann die Nebenäste bis hin zu den kleinen Zweigen.

Reise zu mir selbst
Die Pilgerin, der Pilger nähert sich also von aussen immer mehr der Wurzel. Das passiert äusserlich im Gehen, aber auch innerlich kann ich meinem Selbst, meiner Seele, meiner Wurzel näherkommen und daraus neue Kraft schöpfen, die wohltuend und heilend wirkt. Auf die Frage «Wo beginnt der Jakobsweg?» kann also durchaus geantwortet werden: Vor meinem Zuhause, bei meinem Äus­seren, und er endet, wenn ich Glück habe, nicht nur in Santiago, sondern auch bei mir selbst, weil ich auf dem Weg in Berührung mit mir selbst, meiner Seele komme.

Schweizer Jakobsweg
Den einen Jakobsweg durch die Schweiz gab und gibt es nicht. Aber es gibt ein Netz von Wegen, die in den Südwesten der Schweiz und über Lausanne nach Genf führen. Im Laufe der Zeit bildeten sich bedingt durch die Topografie und heilige Orte (z. B. das Kloster Einsiedeln) Hauptrouten, denen entlang Pilgerherbergen und weitere Gebetsstätten entstanden. So gibt es bis heute zahlreiche Möglichkeiten, um durch die Schweiz nach Frankreich zu pilgern.

1987 beschloss der Europarat, die Pilgerwege nach Santiago zur europäischen Kulturstrasse zu erklären. Dies führte zu einem richtiggehenden Pilgerboom, und so wurden auch in der Schweiz über 400 km Jakobswege mit Varianten und Zubringerwegen markiert. Soweit möglich wurden die historischen Pilgerpfade berücksichtigt. Einer dieser Wege führt von Basel über Notre-­Dame du Vorbourg, Oberdorf, Solothurn nach Bern und weiter bis Genf. Für die vom Rheinland und Schwarzwald herkommenden Pilgerinnen und Pilger waren und sind die Basler Rheinbrücken ein wichtiger Übergang. Hier trafen sich viele Pilgerinnen und Pilger, um gen Santiago weiterzuziehen. 

Mit Schüler/innen-Gruppen habe ich schon häufiger während einer Spezialwoche den Weg von Basel nach Solothurn unter die ­Füsse genommen.

Von Basel nach Solothurn in vier Tagen
Unser Ausgangspunkt ist das Basler Münster. Es prägt mit dem roten Sandstein, den bunten Dachziegeln und den beiden Kirchtürmen das Stadtbild und ist so früher wie heute das Wahrzeichen von Basel. Die ehemalige Bischofskirche, heute evangelisch-­reformiert, wurde zwischen 1019 und 1500 im romanischen und gotischen Stil erbaut und war bis zur Reformation die Kathedrale (Bischofskirche) des Bistums Basel, heute ist die Kathedra («Sitz») des Bischofs in Solothurn.

Dem «Dalbedych», dem alten Industriekanal entlang erreichen wir nach der St.-­Jakobs-Kirche und dem St.-Jakobs-Stadion das Baselbiet. Bis Aesch gehen wir meistens auf Feldwegen der Birs entlang, dann steigen wir durch den Wald hinauf zu einer der ältesten Burgen der Region, der Ruine Pfeffingen, die, nachdem sie Sitz der Thiersteiner gewesen war, vom Bischof von Basel zum Landvogteisitz ausgebaut wurde. Vor der restaurierten Anlage lässt sich am Brunnen eine wohlverdiente Rast einlegen. Über den Blattenpass wandern wir nach Blauen (guter Rastplatz bei der Chäsi) wieder ins Tal nach Zwingen, vorbei am Wasserschloss und Bahnhof, und folgen dann der Bahnlinie bis ins mittelalterliche Städtchen Laufen mit seiner sehenswerten malerischen Altstadt. Die erste Etappe ist geschafft. Wir haben diese Etappe auch schon verkürzt und sind mit der Tram von Basel bis Aesch gefahren.

An der Herz-Jesu-Kirche in Laufen vorbei steigen wir hinauf zum Schützenhaus und wieder hinab ins Tal der Lützel, die wir einmal, als die Brücke weggeschwemmt wurde, barfuss durchquerten – jetzt gibt es aber eine neue stabile Brücke.

Zu Gast bei den Salesianerinnen und am Marienwallfahrtsort
Nach zwei Kilometern dem Flüsschen entlang geht es im Zickzack steil bergauf durch den Huggerwald und dann wieder hinunter nach Soyhières, dort haben wir auch schon im Maison Chappuis bei den Salesianerinnen Gastfreundschaft erfahren und übernachtet. (Das ist auf Voranmeldung auch für andere Pilger möglich.)

Nun erwartet uns ein anstrengender, aber lohnender Anstieg zur Burgruine und Wallfahrtskapelle der Vorburg. (Man könnte auch der Birs entlang ohne Anstieg bis Delsberg gehen.) Beim Steinkreuz auf einer kleinen Terrasse geniessen wir einen wunderbaren Ausblick ins Tal – ausserdem hat es dort, nicht ganz unwichtig für Pilger, Toiletten und einen Brunnen mit erfrischendem Trinkwasser. Im Inneren sind eindrückliche Gemälde und Hunderte Votivtafeln, die bezeugen, dass Maria geholfen hat, zu bewundern.

Nach dem Abstieg und Überqueren der Hauptstrasse und Bahnlinie folgen wir dem Bach La Scheulte bis Vicques mit seiner sehenswerten modernen Kirche Notre-Dame du Rosaire; die eindrücklichen Glasfenster haben die Schülerinnen und Schüler am meisten angesprochen. Jetzt wird es anstrengend, denn es folgt ein gut dreistündiger Aufstieg durch Wald und Wiesen über die Ortschaft Rebeuvelier auf den Mont-Raimeux. 

Die gute Fernsicht nach Delsberg, auf den Jura, die Vogesen und den Schwarzwald hilft einem durchzuhalten, zumal wenn man sie bei einer stärkenden Rast geniesst (Wasser und Vesper aus Rebeuvelier mitnehmen!). Wenn wir dann im Südwesten die Alpen erblicken, haben wir den Etappenort erreicht. Übernachtet wurde im Naturfreundehaus Les Amis de la Nature Moutier auf dem Hochplateau des Mont-Raimeux auf 1300 Metern. Dort sind wir auch schon anderen Jakobspilgern begegnet.

Über den Hausberg, Oberdorf und die Verenaschlucht nach Hause
Tags darauf geht es hinunter nach Corcelles und entlang der Bahnlinie nach Gänsbrunnen. Jetzt erfolgt der Anstieg wieder auf fast 1300 m auf den Solothurner Hausberg ­Weis­senstein. Hier lohnt sich ein Besuch der Bruder-Klaus-Kapelle. Wir steigen wieder hi­nunter und kommen über Oberdorf mit seiner wunderbaren barocken Wallfahrtskirche nach Rüttenen. (Die bequeme Variante mit der Bahn durch den Weissensteintunnel ist derzeit leider nicht möglich.) Der Weg führt uns weiter durch die idyllische Verenaschlucht nach Solothurn. Nach einem Schlussimpuls (vgl. innehalten) geht es erschöpft, aber glücklich nach Hause. 

Wenn ich Sie nun angespornt habe, einen Abschnitt des Jakobsweges zu pilgern, dann empfehle ich Ihnen zur Planung die Seite www.jakobsweg.ch. Dort finden Sie entsprechende Karten und Wegbeschreibungen. Buen Camino!