Editorial

Der Preis der Freiheit

Vor 80 Jahren, am 6. Juni 1944, wagten die Alliierten in der Normandie die bisher grösste militärische Landungsoperation. Dies war ein entscheidender Schritt zum Sieg über Nazi-Deutschland. Etliche am «Längsten Tag» ausgestrahlte Dokumentarfilme verdeutlichten eindrücklich, mit welchem Mut Menschen zu grossen Opfern bereit waren, ja ihr eigenes Leben hingaben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich zwischen Ost und West im Kalten Krieg ein Gleichgewicht des Schreckens, das Europa paradoxerweise eine längere Zeit der Ruhe verschaffte. Seit 1989 glaubten wir an die «grosse Friedenszeit». Auch die Schweiz zog die Friedensdividende ein, sodass die militärische Sicherheit heute nicht mehr garantiert ist. Dass seit gut zwei Jahren in der Ukraine wegen des Aggressors Russland wieder Krieg in Europa geführt wird, überraschte die meisten und hat zur Folge, dass auch in Europa wieder für die Freiheit gekämpft werden muss.

Aus christlicher Sicht ist bei einem Angriff die Selbstverteidigung erlaubt, ja zum Schutz der Angegriffenen sogar geboten. Das erfordert entsprechende militärische Mittel wie auch die persönliche Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, denn ein verbrecherischer Aggressor kennt leider nur die Sprache der Gewalt. Lösungen sind alles andere als einfach, wie gerade auch die Konferenz auf dem Bürgenstock verdeutlicht. Friede und Freiheit fordern von uns allen in irgendeiner Form ihren Preis, sie sind nicht gratis zu haben und führen in klassische Dilemmasituationen, wo keine Handlungsmöglichkeit ohne Nachteile ist. 

Das Zweite Vatikanische Konzil formulierte Grundsätze für einen echten Frieden: «Dieser Friede kann auf Erden nicht erreicht werden ohne Sicherheit für das Wohl der Person und ohne dass die Menschen frei und vertrauensvoll die Reichtümer ihres Geistes und Herzens miteinander teilen. Der feste Wille, andere Menschen und Völker und ihre Würde zu achten, gepaart mit einsatzbereiter und tätiger Brüderlichkeit – das sind unerlässliche Voraussetzungen für den Aufbau des Friedens. So ist der Friede auch die Frucht der Liebe» (GS 78,6).

Ich wünsche uns allen echten Frieden und die grosse Gabe der Unterscheidung, um das zu finden und zu tun, was zur Erreichung dieses grossen Ziels nötig ist. Sicher ist, dass der Friede im Kleinen, bei uns selbst, beginnen muss, damit er im Grossen Fuss fassen kann.

Ihr Urban Fink-Wagner