Entsetzen über Anschläge in Sri Lanka

Politiker aller Parteien in Sri Lanka haben die Bombenanschläge auf katholische Kirchen und Luxushotels in Colombo und anderen Städten des Landes verurteilt. Die Zahl der Toten ist inzwischen nach offiziellen Angaben auf mehr als 200 und die der Verletzten auf 300 gestiegen.

Papst Franziskus ist bestürzt über die Explosionsserie in Hotels und katholischen Kirchen auf Sri Lanka. Er habe «mit Trauer die Nachricht der schweren Attentate, die ausgerechnet heute, zu Ostern, Todesfälle und Schmerzen in einige Kirchen und andere Versammlungsorte in Sri La gebracht haben», reagiert, sagte das Kirchenoberhaupt am Sonntagmittag nach der Verkündigung seiner Osterbotschaft auf dem Petersplatz.

Er sei der dortigen christlichen Gemeinde nahe und «allen Opfern solch grausamer Gewalt». Franziskus sagte, er vertraue die Toten und Verletzten «dieses dramatischen Ereignisses» Gott im Gebet an.

"Absolut barbarisch"

Premierminister Ranil Wickremesinghe verurteilte laut dem Nachrichtenportal der Regierung News.lk die Anschläge vom Ostersonntag als «feige Attacken». Oppositionsführer Mahinda Rajapaksa sagte News.lk: «Ein dermassen gewalttätiger Anschlag an so einem heiligen Tag ist absolut barbarisch.» 6,1 Prozent der rund 20 Millionen Einwohner des mehrheitlich buddhistischen Sri Lankas sind Katholiken.

Während der Ostergottesdienste brachten Bombenanschläge auf drei katholische Kirchen in Colombo, Batticaloa und Katana Tod und Verwüstungen. Zeitgleich gingen in drei Luxushotels in Colombo Bomben hoch.

Über die Täter und ihre Motive liegen noch keine offiziellen Informationen vor. Laut asiatischen Medien hat sich auch noch keine Terrorgruppe zu den Anschlägen bekannt. Die Regierung in Colombo warnte vor Spekulationen über mögliche Täter und voreilige Schuldzuweisungen.

Die Katholiken in Sri Lanka

Etwa sechs Prozent der rund 20 Millionen Srilanker gehören der katholischen Kirche an. Diese rund 1,2 Millionen Katholiken leben im Hauptstadterzbistum Colombo und den elf weiteren Bistümern des Inselstaates. Davon gehören je etwa die Hälfte zur singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und zur tamilischen Minderheit. Während ihr Anteil unter den 15 Millionen Singhalesen nur 4 Prozent beträgt, sind es bei den knapp 4 Millionen Tamilen mehr als 15 Prozent.

Die katholische Kirche gehört damit zu den wenigen Institutionen, die in beiden Bevölkerungsgruppen verankert sind und damit zur Versöhnung nach dem blutigen Bürgerkrieg (1982-2009) beitragen können.

Verbindende Wallfahrt

Ein weithin sichtbares Zeichen dafür ist die jeden August stattfindende Wallfahrt nach Madhu zu einer 400 Jahre alten Marienstatue. Mehrere Hunderttausend Menschen nehmen daran teil, nicht nur Katholiken und andere Christen, sondern auch Buddhisten und Hindus.

Papst Franziskus sprach bei seinem Besuch in Madhu im Januar 2015 den «Apostel von Ceylon», Joseph Vaz (1651-1711), heilig. Erste christliche Missionare waren bereits im 5. Jahrhundert aus Persien auf die Insel gekommen. Doch erst mit der Ankunft der Portugiesen im 16. Jahrhundert begann eine systematische Mission, die von den Orden der Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner und Augustiner getragen wurde.

Unter der niederländischen Kolonialherrschaft ab Mitte des 17. Jahrhunderts kehrten sich die Vorzeichen um: Die katholische Religion wurde verboten, protestantische Prediger gefördert. Der indische Oratorianer-Missionar Vaz spielte in dieser Zeit eine wichtige Rolle für das Überleben der katholischen Kirche.

Religionsfreiheit

Die Briten stellten ab 1796 die Religionsfreiheit wieder her und ermöglichten Ordensleuten aus mehreren europäischen Ländern den Zugang zum damaligen Ceylon. Die erste katholische Diözese wurde 1834 gegründet. Mit ihren Schulen, Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen, die nicht nur Katholiken offen stehen, hat sich die Kirche Ansehen in der Mehrheitsgesellschaft erworben - freilich auch Anfeindungen extremistischer Buddhisten, die den Anspruch erheben, dass Sri Lanka ein buddhistisches Land sei. Die Christen leiden bis heute unter dem Image, eine von Kolonialherren importierte Religion zu vertreten. (kna)

Sri Lanka im Schockzustand

Trauer, Wut, Entsetzen, Fassungslosigkeit - das sind die Reaktion der Menschen in Sri Lanka nach den verheerenden Bombenanschlägen auf Kirchen und Luxushotels mit mehr als 200 Toten am Ostersonntag.

Michael Lenz

In einem vom «Colombo Telegraph» veröffentlichten Handyvideo aus dem Inneren der St. Anthony-Kirche in Colombo sind schreiende Menschen zu hören, andere bergen Verletzte aus den Trümmern des Gotteshauses, dessen Dach nur noch ein Gerippe ist, durch das der Himmel zu sehen ist. Die Polizei nahm inzwischen sieben Verdächtige fest - nähere Informationen über die Hintergründe fehlen bis zur Stunde.

Spekulationen gibt es dafür reichlich. Polizeichef Pujuth Jayasundara hatte bereits vor zehn Tagen nach Hinweisen ausländischer Geheimdienste vor Anschlägen auf Kirchen gewarnt. Als potenzielle Täter nannte der höchste Polizist Sri Lankas die «National Thowheed Jama'ath» (NTJ). Die Organisation muslimischer Tamilen hatte 2018 mit der Zerstörung von Buddha-Statuen für Schlagzeilen gesorgt.

Hintergrund unklar

Mahamood Lebbe Alim Mohamed Hizbullah, Minister für Umsiedlungen und Wiedereingliederung, warnte jedoch in einem Interview mit dem malaysischen Nachrichtenportal «The Leaders Online» vor voreiligen Schuldzuweisungen. «Die Ermittlungen laufen. Aber es gibt keine Beweise gegen eine spezielle Partei, Gemeinschaft oder Gruppe», betonte der muslimische Politiker.

Sri Lanka hat eine lange Geschichte blutiger Gewalt gegen und zwischen Religionsgemeinschaften und ethnische Gruppen. Radikale buddhistische Mönche heizen seit Jahren Hass und Gewalt vor allem gegen die muslimische, aber auch christliche Minderheit an. Immer wieder kommt es zu antimuslimischen Gewaltexzessen wie im Mai 2018, als radikale Buddhisten in Kandy Moscheen verwüsteten, muslimische Geschäfte brandschatzten und mindestens drei Menschen umbrachten.

Gespaltene Gesellschaft

Der Krieg zwischen der Minderheit der Tamilen im Norden Sri Lankas und der Armee ging vor zehn Jahren mit einem Gemetzel an der militärischen Führung der Rebellenmiliz Tamilische Tiger zu Ende. Sri Lanka ist aber immer noch gespalten zwischen der Politik, Wirtschaft und Militär dominierenden buddhistischen Mehrheit im Süden des Landes und den armen Tamilen, von denen 80 Prozent Hindus, die anderen 20 Prozent Christen und Muslime sind.

Weil die katholische Kirche immer wieder die Menschenrechtsverletzungen an den Tamilen angeprangert hat, gelten vor allem die Bischöfe im Norden bei Armee und Geheimdienst als Verräter und Terrorunterstützer.

Religion als Waffe

Unter dem Titel «Geopolitische Rahmenbedingungen: Über das Aufkommen offensichtlicher religiöser Gewalt in Sri Lanka» beschäftigt sich ein erster Kommentar im «Colombo Telegraph» mit möglichen internationalen Hintergründen des Anschlags. Es sei eine seit dem Kalten Krieg in Asien bewährte Strategie von internationalen Kräften, Religion als Waffe zur Spaltung von Gesellschaften zu nutzen. Die Anschläge auf die Kirchen und Hotels seien Teil dieser Strategie, Sri Lanka religiös, gesellschaftlich und wirtschaftlich zu destabilisieren.

Wegen seiner wichtigen geostrategischen Lage im Indischen Ozean sei Sri Lanka «im Fadenkreuz zwischen den USA und ihres Verbündeten Indien sowie China».

Spekulationen über Drahtzieher

Im Internet widmen sich unterdessen Srilanker allerlei innenpolitischen Verschwörungstheorien. Ein Rasha schreibt in einem Kommentar zur Berichterstattung im «Colombo Telegraph»: «Es ist unmöglich, ein koordinierte Attacke dieser Art und dieses Ausmasses ohne das Wissen von sehr mächtigen Personen in der Armee oder der Regierung durchzuführen.» Ein Champa meint: «Das wurde von der Regierung in Auftrag gegeben.»

Ganz abwegig sind solche Spekulation nicht in einem Land, das reich an oft gewaltsam ausgetragenen politischen Konflikten und Intrigen ist. Die Mahnung von Papst Franziskus zu Versöhnung und interreligiösem Dialog bei seinem Besuch in Sri Lanka im Januar 2015 sind bei den Mächtigen leider verhallt. (kna)

 

Sri-lankische Regierung vermutet Islamisten hinter Anschlägen

Die Regierung von Sri Lanka vermutet hinter den blutigen Anschlägen auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag einheimische islamistische Extremisten als Drahtzieher.

Regierungssprecher Rajitha Senaratne benannte am Montag gegenüber Medien die bislang weitgehend unbekannte Organisation «National Thowheeth Jama'ath» (NTJ) als mutmasslichen Täter.

Zuvor hatte die Polizei 24 Personen festgenommen, nannte dazu jedoch keine weiteren Details. Internationale Sicherheits- und Terrorexperten warnen indessen vor voreiligen Schuldzuweisungen.

Ohne eine bestimmte Gruppe zu benennen, bestätigte das Verteidigungsministerium in Colombo nach einer Krisensitzung mit Präsident Maithripala Sirisena auf seiner Webseite, dass die Anschläge vom Ostersonntag auf zwei katholische Kirchen, eine evangelikale Kirche und drei Luxushotels von Selbstmordattentätern ausgeführt worden seien.

«Laut Informationen der Nachrichtendienste waren internationale Organisationen die Hintermänner dieser Anschläge», hiess es weiter in der Erklärung des Verteidigungsministeriums.

290 Tote

Bei den Terrorattacken auf die katholischen Kirche St. Anthony in Colombo und St. Sebastian in Negombo und die evangelikale Zion Kirche in Batticaloa sowie die Luxushotels Shangri-La, Cinnamon Grand und Kingsbury in Colombo kamen nach bisherigen Angaben mehr als 290 Menschen ums Leben. Rund 500 wurden verletzt.

Präsident Sirisena beauftragte am Montag ein dreiköpfiges Komitee mit der Untersuchung der Anschläge. Das Komitee soll seinen Bericht binnen zwei Wochen vorlegen. Den morgigen Dienstag erklärte Sirisena zum «Nationalen Tag der Trauer» zum Gedenken an die Opfer der Anschläge. (kna)