Entsetzen über die Absetzung von Generalvikar Martin Kopp

Menschen im Bistum Chur reagieren entsetzt auf die Absetzung des Urner Generalvikars Martin Kopp. «Als Christ kann ich das Vorgehen des Apostolischen Administrators nicht verstehen», sagt Werner Inderbitzin von der Biberbrugger Konferenz.

Die Absetzung von Generalvikar Martin Kopp bezeichnet die Präsidentin des Synodalrates der katholischen Kirche in Zürich, Franziska Driessen-Reding, als «ein skandalöses klerikales Machtgehabe». Es werde ein engagierter Kirchenmann, der zu seiner Überzeugung steht, «eiskalt abserviert».

Dieses «klerikalistische Machtgehabe» mache die Kirche «kaputt». Die Synodalrats-Präsidentin dankt Martin Kopp für seine «unbeugsame Haltung» und sein Einstehen für das duale Kirchensystem in der Schweiz.

«Ich bin entsetzt»

Die Kirche sei kein rechtsfreier Raum beziehungsweise nur den eigenen Regeln verpflichtet, mahnt Driessen weiter. Es gebe staatskirchenrechtliche Regeln, «die auch ein Bischof akzeptieren muss». Weil Kopp sich dafür öffentlich eingesetzt habe, werde er nun von der Bistumsleitung abgestraft. «Ich bin entsetzt», hält Driessen fest.

Mit der Absetzung des Generalvikars zeige sich immer deutlicher, dass die jetzige Bistumsleitung das bewährte duale System mit demokratischer Mitbestimmung des Kirchenvolks abschaffen wolle. Die Solidarität anderer Priester mit Martin Kopp wäre dringend nötig, so Driessen.

Öffentliche Abstrafung ist schlechter Stil

Die Absetzung Kopps nennt der Vize-Präsident der Biberbrugger Konferenz, Werner Inderbitzin, gegenüber kath.ch «einen weiteren grossen Schaden für unsere katholische Kirche und insbesondere für das Bistum Chur». Diese Vereinigung umfasst die Kantonalkirchen des Bistums Chur.

Der «verwerfliche» Entscheid dürfte in den zurückliegenden Jahrzehnten einmalig sein. «Mit einem so verdienten Mann, der sich in der Urschweiz mit übermenschlichem Einsatz für die Kirche Gottes eingesetzt hat, geht man im 21. Jahrhundert nicht um.»

Für einen Christen nicht nachvollziehbar

Martin Kopp habe in der «NZZ am Sonntag» nichts Unwahres gesagt, sondern lediglich bestätigt, was für viele schon längst klar sei. Seine Äusserungen als Illoyalität zu bezeichnen, wie es die Bistumsleitung tue, «kann ich nicht nachvollziehen. Als Christ kann ich das Vorgehen des Apostolischen Administrators nicht verstehen.»

Aus der Sicht des Vize-Präsidenten der Biberbrugger-Konferenz werde Kopp abgestraft. Der starke Mann in Chur, Martin Grichting , habe «den Zeitpunkt taktisch klug gewählt, um den unliebsamen Kontrahenten Kopp zu beseitigen», schreibt Inderbitzin. Jener hoffe, die Corona-Krise werde diese «Angelegenheit» rasch in Vergessenheit geraten lassen.

Klerikal gedacht

Der Entscheid zeige «einmal mehr, dass die oberste Leitung im Bistum Chur immer noch klerikal denkt und handelt». Ein engagiertes, kritisches Mitwirken und Mitdenken der Laien sei weiterhin unerwünscht.

«Wir sind längst nicht mehr im Mittelalter, wo die Kleriker fast die Einzigen waren, die schreiben und lesen konnten», erklärte Inderbitzin weiter und schiebt die Frage nach: «Wer engagiert sich noch für kirchliche Aufgaben, wenn er aufgrund von kritischen Äusserungen mit einem solchen unchristlichen Vorgehen rechnen muss?» Der Personalentscheid zeige, «dass Chur nicht nur einen echten Hirten als Bischof braucht, der auch den Mut hat, Martin Grichting zu ersetzen».

Solidaritätsrücktritt wäre ein Zeichen gewesen

Inderbitzin begrüsst den Verbleib von Josef Annen in seinem Amt, «wobei ich es auch verstanden hätte, wenn er aus Protest zur Absetzung von Martin Kopp den sofortigen Rücktritt erklärt hätte».

Er begrüsst auch die Rüge an Weihbischof Mariam Eleganti. Dessen Äusserungen zur Corona-Epidemie würden jeglicher Logik widersprechen.

Wird dem Kanton Uri sehr fehlen

Der Präsident des Kleinen Landeskirchenrates Uri, Gunthard Orglmeister, bedauert das Ende der Tätigkeit von Martin Kopp als direkter Kirchenverantwortlicher für die Urschweiz. Er habe sich «Zeit seines Lebens mit vollem Herzen für die Verkündigung und das Leben des Evangeliums eingesetzt». Er werde der Kirche im Kanton Uri sehr fehlen, wo er sehr viel Gutes getan habe.

Kein Sinn für die Realitäten

Die Entlassung des Generalvikars komme zu einem absolut unpassenden Zeitpunkt, erklärte ein Seelsorger aus dem betroffenen Generalvikariat, der nicht genannt werden möchte. Die Schweiz beschäftige sich mit dem Corona-Virus. Mit dem Entscheid zeige das Bistum Chur, dass es in der aktuellen gesellschaftlichen Notsituation mit sich selber beschäftigt sei und der gesellschaftlichen Notlage nicht die nötige Aufmerksamkeit beimessen könne.

Der Entscheid sei zudem unverständlich und nicht nachvollziehbar angesichts des Umstands, dass das Bistum vor der Neubesetzung des Bischofsstuhls in Chur stehe. Im Bistum würden nach wie vor tiefe Gräben bestehen. Vor der Bischofswahl hätte es angestanden, diese Gräben nicht zu vertiefen.

Keine Protest-Aktion möglich

Solidarisch zeigen sich Wendelin Bucheli und René Deiss, Seelsorger in Bürglen: «Es herrscht ein Versammlungsverbot. Wir können keinen Protest organisieren.» Dies gilt aber nicht für den digitalen Raum: «Ich bin einmal mehr wütend und enttäuscht, wie mit Menschen unserer Kirche umgegangen wird», schreibt Monika Schmid von der Pfarreileitung St. Martin in Effretikon ZH auf Facebook. Martin Kopp habe über Jahre als Generalvikar sehr gute Arbeit geleistet. Er sei ein umsichtiger Seelsorger. Der Entscheid müsse rückgängig gemacht werden.

 

Bistum Chur setzt Martin Kopp ab

Die Bistumsleitung in Chur greift durch: Der Apostolische Administrator verpasst Weihbischof Marian Eleganti einen Maulkorb und setzt den langjährigen Generalvikar Martin Kopp ab. Der Zürcher Delegierte Josef Annen darf vorerst bleiben.

Dies gab das Bistum Chur auf seiner Website bekannt. Martin Kopp ist früherer Generalvikar und seit der Amtsübernahme des Apostolischen Administrators für das Bistum, Bischof Peter Bürcher, dessen Delegierter für die Bistumsregion Urschweiz.

Dieser verhielt sich in den Augen Bürchers nicht weisungsgerecht. Kopp hatte sich zur Bischofsnachfolge im Bistum Chur öffentlich geäussert und damit gegen eine interne Regel verstossen, wonach alle Anfragen in dieser Sache an den Medienbeauftragten gehen. Zudem soll sich Kopp illoyal verhalten haben.

Kopp gab «NZZ am Sonntag» Auskunft

Der Hintergrund: Die «NZZ am Sonntag» hatte am 15. März über die anstehende Bischofswahl in Chur berichtet. «Martin Kopp, Generalvikar für die Urschweiz, sagt, es deute im Moment vieles darauf hin, dass die vorgeschlagenen Anwärter allesamt auf der Linie Huonders und seines Statthalters Martin Grichting seien», schrieb die «NZZ am Sonntag».

Das Blatt zitierte Kopp mit den auf Grichting Bezug nehmenden Worten: «Durch Letzteren wird die typisch schweizerische Kirchenverfassung permanent infrage gestellt.» Dadurch sei «sowohl der innerkirchliche Frieden als auch die Beziehung der Kirche zum Staat in Gefahr».

Freiheit des Apostolischen Stuhls eingeschränkt

Das Bistum Chur wirft Kopp vor, er habe öffentlich eine Initiative unterstützt, die darauf abziele, die Freiheit des Apostolischen Stuhls und des Domkapitels bei der Wahl des neuen Bischofs einzuschränken. Martin Kopp hat in den Augen von Administrator Bürcher jenes Mindestmass an Vertrauen verloren, welches notwendig ist, um die Aufgabe eines Delegierten des Apostolischen Administrators ausüben zu können.

Die Leitung des Büros des Regionalen Generalvikariats Urschweiz wird laut Bistumsangaben ab sofort Peter Camenzind, Pfarrer in Schwyz, kommissarisch anvertraut, dies bis zur Amtsübernahme des neuen Bischofs von Chur. 

Weihbischof sorgte für «Verwirrung»

Eine weitere Entscheidung des Apostolischen Administrators betrifft Weihbischof Marian Eleganti: Dieser hatte mit umstrittenen Äusserungen zur Corona-Pandemie für Wirbel gesorgt. «Diese Stellungnahmen waren nicht mit mir, beziehungsweise mit dem bischöflich Beauftragten für Medien und Kommunikation, Giuseppe Gracia, abgesprochen», heisst es in der Mitteilung des Bistums.

Entsprechend sei bei den Gläubigen und in der Öffentlichkeit «Verwirrung» über die Haltung des Bistums Chur zur Corona-Pandemie entstanden.

Eleganti darf sich gemäss Mitteilung «nur noch im Einvernehmen» mit dem Apostolischen Administrator und dem bischöflich Beauftragten für Medien und Kommunikation in den Medien äussern. Der Weihbischof habe diese Entscheidung angenommen. 

Annen bleibt vorerst im Amt

Josef Annen, auch er früherer Generalvikar und aktuell Delegierter für die Bistumsregion Zürich und Glarus, bleibt vorerst im Amt. Altersbedingt hatte er seinen Rücktritt auf Ende Juli 2020 eingereicht. Das Erreichen des 75. Altersjahrs sei «für sich allein noch kein ausreichender Grund» zu demissionieren, «bevor der neue Bischof im Amt ist», heisst es in der Mitteilung weiter. Es wäre möglich, dass Annen «sogar noch vor Ende Juli» abgelöst werden könne.

Peter Bürcher hat den Generalvikar für Zürich und Glarus gebeten, vorläufig im Amt zu bleiben, «nicht zuletzt zu Gunsten einer geordneten Übergabe der Arbeit an den Nachfolger». Annen habe sich dazu bereit erklärt. Wer Annens Nachfolger wird, teilte das Bistum nicht mit.

Bürcher hatte Leitungsteam übernommen

Dem Bistum Chur steht nach dem Rücktritt von Bischof Vitus Huonder seit dem 20. Mai 2019 Peter Bürcher als Apostolischer Administrator vor. Er soll das Bistum leiten, bis ein neuer Bischof durch das Churer Domkapitel gewählt ist. Die bereits im vergangenen Jahr erwartete Wahl hat sich immer wieder verzögert.

Bürcher hatte bei seinem Amtantritt alle Führungskräfte im Bistum bestätigt. Dazu gehören neben dem nun entlassenen Martin Kopp und dem aus Altersgründen zurücktretenden Josef Annen der Generalvikar, beziehungsweise Delegierte für die Bistumsregion Graubünden, Andreas Fuchs, sowie der direkte Delegierte des Administrators, Martin Grichting.

 

Knall aus Chur

Pierre Bürcher hat zwei gute und eine problematische Entscheidung getroffen. Ein Kommentar von kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.

Der Apostolische Administrator in Chur ist eingeschritten. Er hat Weihbischof Marian Eleganti einen Maulkorb verpasst. In Zeiten, in denen Solidarität gefordert ist und Fake News zur Corona-Pandemie Konjunktur haben, ist das ein wichtiges, richtiges, überfälliges Zeichen. Es stärkt auch die Bischofskonferenz, die nun weniger Befürchtungen haben muss, dass ihre Beschlüsse ständig konterkariert werden.

«Josef Annen steht für Diplomatie.»

Die anderen zwei Personalentscheidungen sind mal harmlos, mal empörend. Der Zürcher Generalvikar Josef Annen geht in die Verlängerung, bis ein neuer Bischof da ist. Annens Verlängerung ist eine gute Nachricht: Er steht für Pastoral, er steht für Kontinuität, er steht für die Kunst der Diplomatie.

Empörend ist die Absetzung von Martin Kopp: Er wurde fristlos geschasst. Die Urschweiz steht ohne den beliebten Generalvikar da. Kopps offene und schweizweit sehr geschätzte Kommunikation wurde ihm zum Verhängnis.

Damit verliert die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz Knall auf Fall ihren Präsidenten. Auch hier wird Kopp mit seiner authentischen und wohlwollenden Kommunikation fehlen.

«Martin Kopp lässt sich den Mund nicht verbieten.»

Der Apostolische Administrator Pierre Bürcher gilt als freundlich, harmonisch und als Mann, der lieber den Übergang verwalten als neue Fakten schaffen wollte.

Entweder wurde seine Führungsstärke bislang unterschätzt. Oder er wurde von anderen dazu gedrängt: Wenn schon der sendungsbewusste Eleganti einen Maulkorb bekommt, dann muss erst recht Kopp geopfert werden. Der lässt sich ohnehin nicht den Mund verbieten.