Gemeinsam für den Frieden

Der Vatikan und die Schweiz ergänzen sich gegenseitig, um "zum Frieden beizutragen", sagt Denis Knobel, der neue Botschafter der Schweiz beim Heiligen Stuhl, in einem Interview mit der Agentur I. Media in Rom.

 

Botschafter Denis Knobel nahm am 5. Januar am Neujahrsempfang des diplomatischen Korps von Papst Franziskus teil. Der ehemalige Missionsleiter im bulgarische Sofia ist der neue ausserordentliche und bevollmächtigte Botschafter in der Republik Slowenien und beim Heiligen Stuhl mit Sitz in Ljubljana. Der Diplomat trat seine neue Aufgabe Ende vergangenes Jahr an.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Botschafter beim Heiligen Stuhl?

Denis Knobel: Lange Zeit hatte die Schweiz keinen Botschafter beim Heiligen Stuhl, auch wenn die beiden Länder immer Beziehungen hatten. Meine Aufgabe besteht ganz klar darin, die Interessen der Schweiz im Vatikan zu vertreten. Wir sind eine Art Brücke zwischen den beiden Ländern. Wir sind da, um Beziehungen zu fördern und Projekte zu unterstützen. Wenn es Probleme gibt, versuchen wir, einzugreifen und Beziehungen zu verbessern. Die Schlüsselrolle besteht darin, den Austausch zwischen Menschen und Institutionen zu fördern. Das ist eine klassische Rolle des Diplomaten, der Interessen vertritt und versucht, Menschen zusammenzubringen und Verbindungen herzustellen.

Am Neujahrsempfang forderte der Papst eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern. Wie können die Schweiz und der Vatikan auf der internationalen Bühne dieser Aufforderung gemeinsam nachkommen?

Knobel: Der Aufruf des Papstes steht im Einklang mit der Position der Schweiz, die sich seit jeher für ein multilaterales Regierungssystem und starke Institutionen zur Bewältigung der Probleme der Globalisierung und der Aufgaben der Menschheit eingesetzt hat. Heute braucht es eine globale Steuerung. Darauf müssen wir hinarbeiten.

Der Vatikan ist ein winziges Land, aber er hat ein beträchtliches Gewicht, weil die Katholiken überall präsent sind und der Heilige Stuhl Vertretungen in der ganzen Welt hat. Er ist ein sanfter Player: Er kann nichts aufzwingen, aber er kann einen wesentlichen Beitrag zum Frieden, zur Umwelt, zur Entwicklung des Menschen "in seiner Ganzheit" leisten, wie Papst Franziskus sagt.

Ich stelle eine gewisse Komplementarität zwischen der Schweiz und dem Vatikan fest: Wir sind zwei kleine Staaten, neutral und offen für die Welt. Wir sind zwei wichtige Akteure bei der Förderung von Frieden und Stabilität, bei der Behandlung von Entwicklungs- und Umweltfragen und bei der Migration. Sowohl die Schweiz als auch der Vatikan engagieren sich für diese Fragen und können etwas für die internationale Gemeinschaft beitragen.

Welche Auswirkungen hatte der Besuch von Papst Franziskus in Genf im vergangenen Juni auf die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Schweiz?

Knobel: Der Besuch des Papstes beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf bot auch die Gelegenheit zu einem hochrangigen Kontakt mit dem Präsidenten der Eidgenossenschaft. Dies war ein wichtiges Ereignis, das nachhaltige Spuren in den bilateralen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Schweiz hinterlässt. Dies umso mehr, als Bundespräsident Alain Berset fünf Monate später, am 12. November, selber den Vatikan besuchte.

In nur einem Jahr hatten wir also einen Doppelgipfel: Das ist aussergewöhnlich! Dies zeigt das Interesse beider Seiten an einer Annäherung, an gegenseitigem Zuhören, an der Diskussion über Fragen, in denen man einig oder auch uneins ist. Es zeigt auch das beidseitige Interesse an der Suche nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf der internationalen Bühne.

Zu den Meinungsverschiedenheiten gehören ethische Fragen, insbesondere zum Thema "Sterbehilfe", die in der Schweiz legal ist. Wie verhält es sich mit der Forderung des Papstes, das Leben "bis zum natürlichen Ende" zu schützen?

Knobel: Der Papst ist eine sehr wichtige Stimme, die gehört, respektiert, aber auch interpretiert wird. Heute haben wir politische Auffassungen, die ändern, zu Themen, die bei jedem Einzelnen viele Fragen aufwerfen. Wir stehen vor neuen Fragestellungen, die zu verschiedene Überlegungen führen.

Die Kirche und der Vatikan stehen für moralische Werte ein, die zu Erkenntnissen und Ideen führen, welche als konservativ erscheinen können. Das gehört mit zum Dialog, den wir führen. Wir vertreten nicht immer die gleichen Überzeugungen oder Positionen. Dies geschieht aber in einer Atmosphäre des Respekts und sogar der gegenseitigen Freundschaft.

Wie wird die Schweizer Garde, die für den persönlichen Schutz des Papstes zuständig ist, in der Schweiz wahrgenommen?

Knobel: Die Garde ist ein beträchtlicher Gewinn für uns, auf den wir stolz sind, zumal die Schweizergarde die wichtigste auswärtige Gruppe im Vatikan ist. Sie ist auch gut sichtbar und spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz des Heiligen Vaters. Es ist sicherlich eine vatikanische Institution, aber diese jungen Männer verkörpern unsere Werte und Mentalität: Disziplin, Loyalität und Verfügbarkeit.

Der Vatikan zeigt die Bereitschaft, in diese mehr als ein halbes Jahrtausend alte Institution zu investieren. Dies ist ein äusserst positives Signal. Auch wenn die neue Kaserne der Garde ein Projekt ist, das eindeutig vom Vatikan initiiert wurde, sind wir hier, um den Vatikan zu unterstützen und bei Bedarf zu helfen. Es gibt eine Stiftung, die zur Mittelbeschaffung gegründet wurde und im Begriff ist, eine Fundraising-Kampagne in der Schweiz und weltweit zu starten. Hoffen wir, dass Schweizer und Schweizerinnen weiterhin ihr Engagement für diese wichtige Institution zeigen! (cath.ch/Übersetzung: gs)