«Mein Glaube hilft mir, im Amt zu meinen Überzeugungen zu stehen»

Im Gespräch mit Abt Urban Federer gibt Bundesrätin Karin Keller-Sutter Einblicke in ihr religiöses Leben. Ebenso, was ihr die benediktinische Lebensweise bedeutet und was sie als Klosterschülerin lernte.

Jacqueline Straub

«Für mich beinhaltet die Benediktsregel viel bereichernde Spiritualität. Im Alltag geht das Wesentliche gern vergessen: Das Leben ist unberechenbar, alles ist endlich und verändert sich stetig. Diese und viele weitere zentrale Lebensthemen werden angesprochen – und angeleitet. Es ist wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, was wirklich zählt», sagt Bundesrätin Karin Keller-Sutter in einem Interview mit der Zeitschrift «salve» des Klosters Einsiedeln und des Klosters Fahr. 

Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Abt Urban Federer im Gespräch

Im Gespräch mit Abt Urban Federer sagt sie auch, dass die Benediktsregel oft missverstanden wird, weil «Ora et labora» nicht bedeutet, zu beten und zu arbeiten. «Die Arbeit ist das Gebet, denn sie ist sinnstiftend und erfüllend.»

Diese Textstelle gehe auf die Haltung und den Geist, mit dem die Arbeit verrichtet werden soll, ein, fügt Abt Urban Federer hinzu.

«Die innere Haltung ist für mich ein wichtiger Aspekt des Glaubens», sagt die Katholikin. In ihrer Kindheit lernte sie die innere Werthaltung: «Steh zu dem, wovon du überzeugt bist, auch wenn es vielleicht unpopulär ist.»

«Mein Glaube ist privat, gleichzeitig hilft er mir, auch im Amt zu meinen Überzeugungen zu stehen», so die Finanzministerin. Abt Urban Federer ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler der Stiftsschule lernen, «sich selbst zu sein und zu sich zu stehen. Hier hilft der Glaube sehr: Denn in ihm liegt ein Gefühl, getragen zu sein, ein stärkendes Grundgehaltensein.»

Innere Haltung und Wertvorstellung

Karin Keller-Sutter gibt im Gespräch mit Abt Urban Federer auch Einblick in ihr Gebetsleben: «Als Kind betete ich vor Prüfungen manchmal für gute Noten – bis ich zu der Erkenntnis kam, dass es beim Gebet um etwas anderes geht. Es geht um Befähigung, um die Kraft und den Mut, Herausforderungen anzunehmen. Und es geht auch darum, seine innere Haltung anzunehmen.»

Mutiges Handeln bedeutet für Karin Keller-Sutter, sich eine Meinung zu bilden und diese dann zu vertreten – «nicht stur, aber beherzt». Jeder muss eine eigene Persönlichkeit entwickeln, die sich mit der Zeit festigen kann, so die Bundesrätin. «Auf der inneren Haltung und Wertvorstellung kann man bauen.»

Selbstbestimmte Eltern

Vorbilder sollten klug gewählt werden und sich nicht von Oberflächlichkeiten blenden lassen, so Bundesrätin Keller-Sutter weiter. «Nicht Äusserlichkeiten, sondern die Wertvorstellungen zählen. Heute sehe ich, wie mutig meine Eltern waren.» Ihr Vater führte zusammen mit ihrer Mutter ein Restaurant. Sie wollten lieber selbstbestimmt leben, als reich zu sein.

«Als Jugendliche war mir das nicht so bewusst. Heute schaue ich manchmal in den Spiegel und sehe meine verstorbene Mutter, die ich in den Tod begleitet habe. Es sind die Beziehungen, die bleiben und die uns lehren, was für uns zählt. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meine Mutter denke.»

Als Katholiken dürfe man auch bisweilen übermütig sein. Aus Leichtigkeit dürfe aber kein Leichtsinn werden, so die FDP-Politikerin. «Die eigenen Handlungen müssen der Gemeinschaft gegenüber verantwortungsbewusst sein.» Es brauche den Übermut und es braucht immer auch das Mass, so Abt Urban Federer. «Wenn ich als Abt über die Stränge hauen würde, könnte ich das nicht mit mir selbst vereinbaren.»

Um Mass halten zu können, brauche es Selbstdisziplin, so Karin Keller-Sutter. «Man muss sich abgrenzen und Nein sagen können – und so zu sich selbst Sorge tragen.» Sie verrät im Interview auch, dass sie jedes Jahr mit ihrem Mann die Fastenzeit begeht. Dieser Verzicht erlebt sie als «etwas Stärkendes», das ihr Energie gibt. «Und es ist schön, wenn man danach wieder etwas geniessen darf – oder man merkt, dass es einem gar nicht gefehlt hat!»

Im Gespräch kommen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Abt Urban Federer auch auf die Wichtigkeit von Klöstern zu sprechen. Keller-Sutter war als Jugendliche auf einer katholischen Mädchenschule, im Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Will. Später wurde ihre bewusst, dass sie in dieser traditionellen Bildungseinrichtung sehr viel gelernt hatte. Sie findet es wichtig, dass Klöster und ihre Ordensgemeinschaften als Teil der Gesellschaft sichtbar sind und ihre Spiritualität weitergeben.